Erdgas aus dem Irak: Vertrag in vermintem Gebiet

RWE schließt Kooperationsvertrag über die Lieferung von Erdgas mit der kurdischen Regionalregierung im Nordirak ab. Das erzürnt das irakische Ölministerium.

Erdgas aus den kurdischen Gebieten im Irag möchte RWE durch sein Röhrennetz an die Kunden bringen. Bild: ap

BERLIN taz | Der deutsche Energiegigant RWE ist bei der Suche nach Erdgas offenbar fündig geworden. Wie der Konzern mitteilte, sei mit der kurdischen Regionalregierung im Nordirak ein Kooperationsabkommen geschlossen worden. Damit sei die Grundlage für eine spätere Belieferung der Erdgaspipeline "Nabucco" gelegt worden. Die irakische Regierung reagierte empört.

Es geht um eine 3.300 Kilometer lange Erdgastrasse und das ganz große Geschäft: Ab 2014 möchte ein Konsortium, in dem neben RWE auch das türkische Staatsunternehmen Botas und weitere Konzerne beteiligt sind, jährlich 31 Milliarden Kubikmeter Erdgas unabhängig von Russland nach Europa liefern. Das Problem: Noch kann das Konsortium nicht die notwendigen Lieferverträge vorlegen.

Die sollten ursprünglich bis Mitte des Jahres abgeschlossen sein, etwa mit Turkmenistan oder Aserbaidschan. Bis Ende dieses Jahres wollen die Konzerne die endgültige Bauentscheidung für die 7,9 Milliarden Euro teure Röhre treffen.

Aber ohne langfristige Kontrakte zum Gasbezug lohnt sich das Investment natürlich nicht. Zumal Russland fast parallel eine eigene Gaspipeline aus der Region nach Europa baut - die South Stream soll ab dem Jahr 2013 mindestens 10 Milliarden Kubikmeter Gas über Bulgarien und Serbien nach Zentraleuropa liefern.

Nabucco steht also unter Druck, vermutlich deshalb ist der RWE-Konzern nun auf außenpolitisch vermintes Gebiet vorgestoßen: Stefan Judisch, bei RWE für die Gasbeschaffung zuständig, zeigte sich am Wochenende optimistisch, "sehr bald" eine Einigung über die Belieferung von Nabucco "mit kurdischem Erdgas zu erzielen".

Nun gibt es zwar eine Autonome Region Kurdistan, mit eigener Flagge, eigener Verfassung, eigener Verwaltung, eigener Hymne. Aber es gibt völkerrechtlich keine anerkannte kurdischen Regierung im Nordirak. Entsprechend empört reagierte das Ölministerium des Iraks, auf dessen Hoheitsgebiet die Gasfelder liegen.

Jeglicher Vertrag, der an der staatlichen Ölvermarktungsorganisation Somo vorbei geschlossen werde, sei illegal. "Niemand außerhalb des Ministeriums hat das Recht, Exportverträge für Öl oder Gas zu unterzeichnen", hieß es in der Erklärung des Ministeriums.

Die Schärfe der Reaktion hängt mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im Nordirak zusammen. "Die Kurden sind ganz wild auf Nabucco", sagt Guido Steinberg, Experte bei der Stiftung Politik und Wissenschaft. Neben der Bedrohung von außen seien fehlende eigene Pipelines der entscheidende Grund für die Kurden, im irakischen Staatenverbund zu bleiben.

Irakisch-Kurdistan müsse derzeit seine geförderten Rohstoffe ins zentrale irakische Netz einspeisen, über das die Somo wacht. Und die Somo überweist auch 17 Prozent der Gesamteinnahmen aus dem Exporterlös an die kurdische Autonomiebehörde.

Nabucco könnte die geopolitische Situation für die Kurden mit einem Schlag ändern. "Eine von Bagdad unabhängige Pipeline kann nur über die Türkei führen", sagt Steinberg. Nach dem Abzug der Amerikaner müssten die Kurden nach einer neuen Schutzmacht suchen. Syrien falle aus, weil es selbst zu schwach ist, der Iran, weil die Feindschaft unüberbrückbar scheint.

Bleibt die Türkei. Steinberg: "Würden die Türken eine Geschäftsbeziehung mit dem kurdischen Staat eingehen, wäre die Türkei de facto eine Schutzmacht. Schließlich wäre das Interesse dann groß, dass die Geschäfte reibungslos laufen."

Die Türkei wiederum ist sehr daran interessiert, für Europa wichtigste Energiedrehscheibe nach Russland zu werden. Einerseits, so das Kalkül Ankaras, könnte die Türkei so ein weiteres Argument für den EU-Beitritt liefern. Andererseits stärken die Türken als Drehscheibe ihre Vormachtstellung in Westasien.

Zudem ist Bota, das türkische Staatsunternehmen, mit im Nabucco-Boot: Bota betreibt bereits das Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline-Projekt und liefert Rohöl aus dem kaspischen Raum nach Europa.

Macht RWE also Geopolitik?

"Eindeutig ja", sagt Experte Steinberg. Zumal RWE ein großes Risiko eingehe. "Konzernen, die wie etwa die norwegische DNO mit den Kurden Separatverhandlungen geführt haben, wurde gedroht, vom gesamten Öl- und Gasgeschäft im Irak ausgeschlossen zu werden."

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