Laufzeiten der Akws: Union ringt um Atom-Kompromiss

Die Wünsche zum Ausstieg aus dem Ausstieg schwanken stark in der Union: Die einen wollen maximal 8 Jahre längere Laufzeiten, die anderen bis zu 15. Nun gibt es einen Kompromiss-Vorschlag.

Wann kommt dieser Meiler vom Netz? Akw in Biblis. Bild: ap

BERLIN reuters/taz | Am Wochenende wurde die Zerstrittenheit der Union in der Frage der Atomkraft deutlich: Das Magazin Spiegel hatte vorab berichtet, ein Bündnis aus schwarz-gelben Bundestagsabgeordneten, süddeutschen Ländern und dem Bundeswirtschaftsministerium wolle die Reaktoren im Schnitt um 14 Jahre länger laufen lassen.

Gleichzeitig meldeten sich Niedersachsens und Saarlands CDU-Ministerpräsidenten zu Wort, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (ebenfalls CDU) öffentlich unterstützen. Der setzt auf eine kürzere Verlängerungen, eher in der Größenordnung von durchschnittlich 8 Jahren.

Seit längerem zeichnet sich ein informelles Bündnis aus den stark auf Atomstrom setzenden Südländern und den aus Süddeutschland stammenden Abgeordneten der Unions-Bundestagsfraktion ab, die wie das Wirtschaftsministerium auf längere Laufzeiten für die Atommeiler pochen und offen Widerstand gegen Röttgen leisten.

So hatte sich etwa der aus Baden-Württemberg stammende Fraktionschef Volker Kauder klar dafür ausgesprochen, Atomkraftwerke noch sehr lange nutzen zu wollen. "Wir brauchen eine angemessene Verlängerung der sicheren, deutschen Kernkraftwerke von mindestens 15 Jahren", betonte auch CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. "Die zuständigen Bundesminister tun gut daran, in dieser Frage den engen Schulterschluss mit den Koalitionsfraktionen zu suchen", sagte er am Wochenende dem Hamburger Abendblatt.

Der Spiegel zitiert zudem nun den wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Joachim Pfeiffer: "Röttgen sollte anerkennen, dass die Mehrheit in Partei und Fraktion Kernkraft für eine längere Zeit als er für absolut nötig hält, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten." Die Fraktion werde der von der Koalition beschlossenen Brennelementesteuer nicht zustimmen, ohne dass die Gesamtfrage in diesem Sinn gelöst sei, sagte Pfeiffer, der ebenfalls aus Baden-Württemberg stammt.

Unterstützung für Röttgen

Doch Röttgen ist mit seiner vorsichtigeren Haltung alles andere als alleine. Die CDU-Ministerpräsidenten aus Niedersachsen und Saarland, David McAllister und Peter Müller, machten dagegen klar, dass sie neue lange Laufzeiten nicht mittragen werden. "Je kürzer, desto besser", sagte McAllister der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Atomenergie dürfe nur eine Übergangstechnologie hin zu erneuerbaren Energien sein.

Müller wies darauf hin, dass den Atomkraftbefürwortern die Mehrheit im Bundesrat fehle. "Und ohne Zustimmung des Bundesrates – wie manche in Berlin und anderswo meinen – wird es eine deutliche Laufzeitverlängerung nicht geben", sagte er dem Tagesspiegel.

Ein möglicher Kompromiss

Laut Süddeutscher Zeitung wird in der Koalition derzeit an einem "gesichtswahrenden Kompromiss" gearbeitet: Weniger Meiler, dafür aber längere Laufzeiten. Das könnte so aussehen, dass die Laufzeitverlängerung durch neue Sicherheitsauflagen eingerahmt werden. Gleichzeitig würden die zusätzlichen Laufzeiten so ausgestaltet, dass sie, wie die aktuell gültigen, von einem auf ein anderes Kraftwerk übertragbar wären. Gingen einige ältere Meiler schnell vom Netz, könnte so die Laufzeit der verbliebenen Akws deutlich über acht Jahre hinaus verlängert werden.

So können schon im kommenden Jahr die ersten "zwei oder drei" Atomkraftwerke dieser Strategie zum Opfer fallen, andere dagegen würden im Gegenzug länger laufen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise.

Details sind noch völlig offen

Welche AKWs früher vom Netz gehen und wie viel länger die übrigen Reaktoren laufen könnten, sei aber noch offen. Ungeklärt sei auch noch, ob überhaupt ein fester Zeitpunkt für das Abschalten der letzten Reaktoren genannt werde. Dies hänge letztlich auch mit der Sicherheit der Anlagen zusammen, hieß es in den Regierungskreisen.

Dabei ist auch offen, ob eine längere Nutzung der Atommeiler tatsächlich in Jahren oder, wie bisher, in der noch erlaubten Menge an zu produzierendem Strom festgelegt werden soll.

Doch ob die Gegner das Ausstiegs sich durch so eine Lösung besänftigen lassen, ist völlig unklar. Denn auch die Bundestagsfraktion der Union ist in dieser Frage völlig gespalten. "Es gibt keine Absprache", wurde am Sonntag in Fraktionskreisen betont.

CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte unterdessen einem Focus-Bericht zufolge im Parteivorstand die Zerstrittenheit der CDU in der Frage der Energiepolitik. "Da gibt es drei Meinungen für eine Frage", soll Seehofer hinter verschlossenen Türen moniert haben. Nicht einmal Kanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtschef Ronald Pofalla und Röttgen hätten bislang eine einheitliche Position in der Atomfrage.

Kritik der Opposition

Sollten sich die Südländer mit ihrem Wunsch durchsetzen, "dann hat Herr Röttgen, der Umweltminister der CDU, ja auf ganzer Linie versagt", sagte SPD-Chef Gabriel über seinen Amtsnachfolger. "Ich glaube, dass das super-gefährlich ist, uralte Meiler 15 Jahre zu verlängern", warnte er im ARD-"Sommerinterview". Zudem warf er den Südländern atompolitischen Egoismus vor. Bayern und Baden-Württemberg verhinderten in ihren Bundesländern die Suche nach geeigneten Standorten für ein atomares Endlager, kritisierte Gabriel, der wie McAllister aus Niedersachsen kommt.

Die Grünen kündigten unterdessen an, längere Laufzeiten wieder kippen zu wollen, wenn sie an die Regierung kommen sollten. Die Energieversorger dürften nicht damit rechnen, "dass dieser Liebesdienst nach der nächsten Bundestagswahl Bestand haben wird", kündigte der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin im Hamburger Abendblatt an. Er spielt damit darauf an, dass SPD und Grüne derzeit in Umfragen klar vor der Union und FDP liegen.

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