FDP-Chef vertritt erstmals Merkel: Reservekanzler Westerwelle

Außenminister Westerwelle vertritt erstmals die Kanzlerin - und sagt kaum etwas zu harschen Äußerungen des ISAF-Kommandeurs.

"Meine Wortwahl wäre es nicht": Guido Westerwelle in ungewohnter Zurückhaltung. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach rund einer Stunde lächelt Guido Westerwelle zum ersten Mal. So lange haben ihn die Journalisten im vollen Saal der Bundespressekonferenz genervt mit Fragen rund um Afghanistan, die gesetzliche Rentengarantie und Gutscheine für Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Nun ist er sichtlich erfreut über die Reporterfrage, wie die erste von ihm geleitete Sitzung der Regierungsmitglieder gelaufen sei. Der Außenminister antwortet: "Die Kabinettssitzung war erheblich kürzer. Es ist Sommer." Selten stellen Minister die Ergebnisse dieser Sitzungen selbst vor. Vor zwei Wochen tat es die Kanzlerin, bevor sie sich in den Wanderurlaub verabschiedete. Nun also ihr Stellvertreter.

Sorgenvoll blickt er auf die Entwicklung in Afghanistan. "Die Erntezeit geht zu Ende", erklärt der Außenminister. "Und das kann nochmal eine Verschärfung der Sicherheitslage bedeuten." Dies bleibt Westerwelles einzige unzweideutige Äußerung an diesem Tag.

Zuvor hatte ein Papier des neuen ISAF-Kommandeurs in Afghanistan, US-General David Petraeus, international für Aufruhr gesorgt. Darin heißt es über Einsätze gegen Taliban-Kämpfer: "Gemeinsam mit unseren afghanischen Partnern schlagt eure Zähne in die Aufständischen und lasst nicht nach." Westerwelle bezweifelt mehrfach, dass diese Worte so gefallen seien. Erst der Hinweis von Journalisten, sogar der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums habe aus diesem schriftlich vorliegenden Papier zitiert, bewegt Westerwelle zu der Äußerung: "Meine Wortwahl wäre es nicht." Wichtig für die Zukunft Afghanistans sei eine "politische Lösung". Mehr sage er dazu nicht, "aus Gründen der Zurückhaltung".

Diese Zurückhaltung übt der Vizekanzler auch bei innenpolitischen Themen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte vor einer Woche mit der Forderung für Aufregung gesorgt, die Entwicklung der Rentenhöhe wieder an die der Löhne zu koppeln. Die schwarz-rote Koalition hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass die Renten nicht sinken sollen, selbst wenn die Löhne schrumpfen. "Praktisch stellt sich das gerade nicht", antwortet Westerwelle, denn die Wirtschaft und Löhne wüchsen.

Mit seiner Zurückhaltung versucht Westerwelle, die wichtige Wählergruppe der Rentner nicht weiter gegen die FDP aufzubringen. Der Partei geht es ohnehin schlecht. In Umfragen liegt sie seit Wochen bei 5 Prozent.

Westerwelle begrüßte das Vorhaben von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Kindern von Hartz-IV-Empfängern Gutscheine zukommen lassen will für die Nutzung von Sport- oder Kulturangeboten. Dies soll Missbrauch von Geldzahlungen durch Eltern vermeiden. Zwar halte er von einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes II nichts: "Das Lohnabstandsgebot in Deutschland sollten wir auch beachten." Stattdessen müsse die zusätzliche Hilfe so organisiert sein, dass sie bei den Kindern ankomme. Daran werde jetzt gearbeitet. Westerwelle tut dies wohl nicht. Er verabschiedete sich in den Urlaub.

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