Menschenwürde verletzt: Naziparolen in einer Gefängniszelle

4205 Hakenkreuze und Parolen zählten Gefangene in einer Zelle. Häftlinge dürfen laut eines Karlsruher Urteils nicht in einer solchen Zelle untergebracht werden.

Widerliche Zustände hinter der Zellentür muss kein Insasse dulden. Bild: ap

FREIBURG taz | Strafgefangene, die in verdreckten Zellen voll rassistischer Schmierereien untergebracht wurden, können sich auch nachträglich vor Gericht dagegen wehren. Dies hat jetzt das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Geklagt hatte ein niedersächsischer Häftling, der 2006 und 2008 im Zuge von Verlegungen und Zeugenaussagen jeweils für mehrere Tage in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hannover untergebracht war. In deren Transporthaus musste er in einer Zelle voll rechtsextremistischer Schmierereien einsitzen. "Deutsche reißt den Judenvotzen die Eierstöcke raus", habe dort etwa gestanden oder "Ihr gehört nicht auf diese Welt, Ihr Tiere. Tod den Sintis".

Der Gefangene zählte beim zweiten Mal 4.205 Hakenkreuze und Parolen. Außerdem habe sich Kot an den Wänden befunden. Anschließend klagte er beim Landgericht Hildesheim. Die Richter sollten feststellen, dass seine Unterbringung gegen die Menschenwürde verstößt. Doch diese lehnten den Antrag als unzulässig ab. Die Unterbringung in der verschmierten Zelle sei beendet, deshalb fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Eine neue Verlegung nach Hannover sei nicht abzusehen. Auch das Oberlandesgericht Celle sah keinen Grund, aktiv zu werden. Der Mann, dessen Familie teilweise in Nationalsozialismus verfolgt und ins KZ gesteckt wurde, klagte daraufhin beim Bundesverfassungsgericht.

Die Tolerierung der Schmierereien belaste ihn sehr, sagt er. Nach der Argumentation des Landgerichts könne er auf den Transporten auch im Schweinestall untergebracht werden, vorausgesetzt, er komme danach wieder in ein normales Gefängnis. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz sei in diesem Fall verletzt worden, urteilten die Karlsruher Richter. Wenn es um die Verletzung der Menschenwürde geht, bestehe auch nach Ende der Maßnahme ein Rechtsschutzinteresse.

Darüber hinaus dürften Gefangene nicht in "grob unhygienischen und widerlichen" Hafträumen untergebracht werden, so die Richter. Dies gelte auch für "mit physischem und verbalem Kot beschmierte Haftraumwände" - selbst wenn die Verschmutzungen von Mithäftlingen stammen. Eine JVA müsse "alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen", um solchen Verhältnissen entgegenzuwirken. Sie verletzten die Menschenwürde. Nun muss das Landgericht Hildesheim erneut über den Fall entscheiden. Ein Sprecher des niedersächsischen Justizministers Bernd Busemann (CDU) sagte, der Vorfall habe die JVA Hannover "sensibilisiert". Ein zweiter Hausmeister sei eingestellt worden, um Schmierereien entfernen zu können.

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