Sektiererische Gewalt fordert erneut Aberdutzende Opfer

PAKISTAN Die mörderische Verfolgung von Schiiten durch sunnitische Extremisten bedroht das Land

VON SASCHA ZASTIRAL

BANGKOK taz | Einen Tag nach dem schweren Bombenanschlag auf Mitglieder einer ethnischen Minderheit hat am Sonntag ein Proteststreik weite Teile der westpakistanischen Stadt Quetta lahmgelegt. Eine Regionalpartei hatte unmittelbar nach dem Anschlag am Samstag, bei dem eine gewaltige Bombe in einem belebten Geschäftsviertel mindestens 84 Menschen getötet hat, zu dem Proteststreik aufgerufen.

Es war der zweite schwere Anschlag in Quetta innerhalb weniger Wochen. Erst im Januar waren dabei mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen. Beide Male waren die Opfer Mitglieder der Hazara-Ethnie, die überwiegend Schiiten sind. Beide Male hat sich die antischiitische Terrorgruppe Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) zu den Taten bekannt. Die LeJ verübt seit 1990 Anschläge auf Schiiten.

Nach dem Anschlag vom Januar weigerten sich die Hinterbliebenen tagelang, die Toten zu bestatten, und verlangten, dass die Behörden sie schützten. Die Regierung in Islamabad entließ die Provinzregierung Belutschistans in der Hauptstadt Quetta ist, und übernahm die direkte Aufsicht.

Nun erhebt Gouverneur Nawab Zulfikar Magsi, Statthalter Islamabads in Belutschistan, schwere Vorwürfe gegen den Sicherheitsapparat. Die Mitarbeiter des Geheimdiensts seien „entweder zu verängstigt, um gegen die Verbreiter des Terrors vorzugehen“, oder sie wüssten schlicht nicht, mit wem sie es zu tun hätten, sagte er im Radio.

Und in der Tat scheint das Schicksal der schiitischen Hazara die Armee, die in Belutschistan das eigentliche Sagen hat, kaum aus der Ruhe zu bringen. Sie ist damit beschäftigt, einen bewaffneten Aufstand durch belutschische Separatisten unter Kontrolle zu bringen. Bereits seit 1950 kämpfen bewaffnete Gruppen in der dünn besiedelten, aber rohstoffreichen Region für die Loslösung von Pakistan.

Geheimdienst und Armee stehen dabei – ebenso wie die Separatisten – im Verdacht, für schwere Menschenrechtsvergehen verantwortlich zu sein. Menschenrechtsgruppen haben viele Indizien dafür gesammelt, wonach Armee und Geheimdienst entführen und foltern. Beinahe jede Woche tauchen die Leichen von Menschen auf, die Opfer des Sicherheitsapparats sind.

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