Subkultur: Erosion der Gegensätze

Die eine regiert das Land, die anderen machen Technoparties mit subversivem Anspruch. Als die Finanzsenatorin das "Neuland"-Projekt besuchte, verstand man sich

Finanzsenatorin Karoline Linnert hat keine Angst, dass auf sie scharf geschossen wird Bild: Michael Bahlo

"Hier prallen zwei Welten aufeinander", sagte Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), als sie am Freitagmorgen das temporäre Kulturprojekt "Neuland" besuchte. Sie selbst repräsentierte die eine davon: den Staat mit seinen Gesetzen und seiner Verwaltung. Also genau das, womit die alternativen Künstler und DJs, die seit sechs Wochen in der stadteigenen ehemaligen Suchtklinik an der Neuenlander Straße residieren, am liebsten gar nichts zu tun haben würden.

Die Subkulturschaffenden hatten den Besuch deshalb mit gemischten Gefühlen erwartet. Dass die zweite Bürgermeisterin zu ihnen kommen wollte, stimmte skeptisch: "Daran sieht man doch, dass wir hier als weicher Standortfaktor betrachtet werden", hieß es vorher. Eben dies wollte man vermeiden - zu gegenwärtig sind die Erfahrungen aus Berlin oder Hamburg, wo die Kreativen vor allem deshalb hofiert werden, um das Standortimage aufzuwerten.

"Ich habe gehört, dass es Menschen gibt, die sich benutzt fühlen", sagte Linnert dazu. So richtig verstehen, könne sie dies aber nicht: "Wenn wir nix machen, sind wir blöd und wenn wir was tun, dann heißt es, wir benutzen die freie Szene."

Sie begründete ihren Besuch damit, dass sie sich ansehen wolle, wie Zwischennutzung funktionieren kann. Ihrem Ressort ist die Immobilien Bremen zugeordnet. Die verfügt über rund 100 leer stehende Gebäude, von denen immerhin ein Zehntel für eine Zwischennutzung geeignet ist - so wie die "Neuland"-Klinik. Den Vertrag mit den Künstlern hatte die Zwischennutzungsagentur ZZZ vermittelt. Dass die ein "formalisiertes Verfahren" anbietet, um Immobilienbesitzern die "Angst zu nehmen, die Zwischennutzer nie wieder los zu werden", fand Linnert "gut".

Gut fand das auch eine junge Künstlerin, die Linnert berichtete, ohne das Neuland ihr Atelier "in einen Keller" verlegen zu müssen. Als Linnert fragte, ob man angesichts solcher Raumnot "Beharrungskräfte" fürchten müsse, wiegelte man ab: Dass man nach dem Sommer wieder ausziehen werde, sei ausgemachte Sache. Im Gegenzug versprach die Senatorin, sich auch bei den übrigen städtischen Gesellschaften für Zwischennutzung einzusetzen. "Die sollen sich da nicht so anstellen."

So erodierten die Antagonismen schneller, als man hinschauen konnte. Dabei haben die Neuland-Betreiber handfeste Probleme: Seit kurzem müssen sie ihre Techno-Parties schon um ein Uhr morgens beenden, im Regelfall ausgebildete Türsteher beschäftigen. "Dabei geben wir alles dafür, sowas selber mit Diskussionen und Einsicht zu regeln", sagte Kriz Sahm, der mit dem "Zucker"-Club in das "Neuland" umzog. Ob das Stadtamt ihnen gegenüber "boshaft" sei, wollte Linnert wissen? "Nein, nein." Gesetze seien nun einmal nicht mit Experimenten alternativen Lebens kompatibel.

Linnert zitierte daraufhin voller Verständnis den anarchistischen Staatstheoretiker Leopold Kohr. Der wollte den Staat nur dazu benutzen "um an seiner Überwindung zu arbeiten". Das war ihren Gastgebern so sympathisch, dass sie sich schließlich mit der Senatorin zu einem Gruppenfoto in einer Holzarche aufstellten.

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