Kommentar Aids: Das Privileg reicher Gesellschaften

In den Industriestaaten können Infizierte ein weitgehend normales Leben führen und den vorzeitigen Tod verhindern. Bei Armen in Afrika ist das anders.

Fünf Millionen HIV-Infizierte weltweit werden derzeit therapiert. Diese Erfolgszahl geisterte immer wieder durch die Ansprachen und Vorträge auf der Internationalen Aids-Konferenz in Wien. Die dunkle Seite der Medaille: Weitere zehn Millionen Menschen, die dringend der Behandlung bedürften, werden von der Medizin nicht erreicht.

In den letzten Jahren sind über internationale Fonds Unsummen in die Bekämpfung von HIV/Aids gepumpt worden. Durchaus erfolgreich. Vor allem in den Industriestaaten können Infizierte ein weitgehend normales Leben führen und den vorzeitigen Tod verhindern. Das bleibt aber ein Privileg unserer reichen Gesellschaften.

Zwar sind auch in den armen Ländern die Fortschritte unübersehbar. Der Einsatz von gegnerischen antiretroviralen Medikamenten hat - gegen den erbitterten Widerstand der Pharmalobby - gerade in Afrika die preisgünstige Behandlung von Millionen Menschen ermöglicht. Doch ist auch für jene, die in den Genuss der Therapie kommen, das Risiko größer als für Patienten im globalen Norden. Wenn bei uns die Standardtherapie nicht greift, gibt es eine zweite und eine dritte Möglichkeit. Die sind komplizierter und in der Regel teurer. Wenn bei Armen in Afrika das Standardpaket versagt, gibt es keine Rettung.

Daran wird sich auch nichts ändern: Neue und bessere Medikamente sind immer teurer als ihre Vorgänger. Deswegen kommen die Patienten in den reichen Ländern auch bevorzugt in den Genuss neuer Behandlungsmethoden. Forschungsgelder werden dort investiert, wo es sich lohnt. Das ist ein alter Hut. Ein Leben in Afrika oder in der Ukraine ist, so scheint es, weniger wert. Anders ist nicht erklärbar, warum gerade in den Ländern mit der höchsten HIV-Verbreitung nur marginale Prozentsätze von Infizierten auf Tbc untersucht werden, obwohl jeder vierte Aidskranke an Tuberkulose stirbt. Und Hepatitis C, eine weitere typische Todesursache für Immunschwache, ist zwar heilbar. Doch ist ihre Behandlung so teuer, dass sie den Reichen vorbehalten bleibt: die weniger gefährdet sind.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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