Prozess gegen Islamisten: Ferngläser und Laptops für al-Qaida

Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte zwei schwäbisch-türkische Dschihadisten zu Haftstrafen. Ömer Ö. und Sermet I. sollen Geld und Equipment für das Terrornetzwerk besorgt haben.

Der Angeklagte Ömer Ö. (r) begrüßt im Gerichtssaal des Koblenzer Oberlandesgerichts seinen vermeintlichen Komplizen Sermet I. (l). Bild: dpa

FREIBURG taz | Zwei Islamisten aus Sindelfingen wurden am Montag vom Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verurteilt. Der 32-jährige Ömer Ö. soll Mitglied von al-Qaida gewesen sein und wurde deshalb mit 6 Jahren Haft bestraft. Der gleichaltrige Sermet I. galt nur als Unterstützer und erhielt eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren.

Ömer Ö. und Sermet I. sind zusammen in Deutschland aufgewachsen. Ömer Ö. kommt aus einer eher weltlichen Familie, lernte Drucker und führte bis 2006 einen Handyladen in Sindelfingen. Sermet I. ist Lackiertechniker und arbeitete - wie viele Mitglieder seiner aus der Türkei stammenden Familie - bei Daimler, zuletzt in einem Mercedes-Werk in Malaysia.

Beiden wurde vorgeworfen, dass sie in den Jahren 2005 und 2006 Geld und Ausrüstungsgegenstände für al-Qaida besorgt haben sollen. Ömer Ö. soll eine kugelsichere Weste, ein Fernglas und einen Laptop beschafft haben. Außerdem soll er zwei deutsche Kämpfer an al-Qaida vermittelt haben, darunter den Bonner Bekkay Harrach, der im letzten Herbst mit seinen Drohvideos bekannt wurde. Sermet I. wurde der Kauf von Entfernungsmessern und Nachtsichtgeräten vorgeworfen. Die Gegenstände wurden dann über den befreundeten Schmuckhändler Aleem N. aus Germersheim nach Pakistan und Afghanistan geschafft. Aleem N. wurde bereits im Vorjahr zu acht Jahren Haft verurteilt. Hauptbelastungszeuge war in beiden Prozessen N.s Stiefsohn Yannick.

Ömer Ö. war der fanatischere der beiden Sindelfinger. Er ging 2006 nach Afghanistan und ließ sich in zwei Lagern zum Kämpfer ausbilden. Im Jahr 2008 sei ihm aber die Lust am Heiligen Krieg vergangen, als er persönlich das Sterben von vier schwer verwundeten Kämpfern miterlebte. Einige Tage später sei er nach Deutschland zurückgekehrt.

Für Verwirrung sorgte Ömer Ö. in diesem Frühjahr, als er überraschend angab, er habe an einem Überfall auf einen afghanischen Militärkonvoi mitgewirkt. Als die Bundesanwaltschaft ihn darauf hinwies, dass er auch wegen eines Tötungsdelikts angeklagt werden könne, wiederrief Ö. das vermeintliche Geständnis. Er habe nur eine Szene aus einem Al-Qaida-Video nacherzählt. Inzwischen hat allerdings die Türkei deshalb eine Strafverfolgung angekündigt. Vermutlich wird Ö. nach Verbüßung seiner deutschen Haft in die Türkei abgeschoben.

Für Sermet I. sind die Perspektiven besser. Er hat nicht persönlich am bewaffneten Kampf teilgenommen und ist seit 2006 deutscher Staatsbürger. Auch er hat sich vom Dschihad distanziert und Daimler will ihn wegen seiner bisher guten Leistungen vermutlich wieder einstellen. In der Haft hat Sermet I. sich fortgebildet und spanisch gelernt.

Ömer Ö. sagte in seinen letzten Worten vor dem Urteil: "Ich habe vor, einmal eines natürlichen Todes zu sterben." Trockener Kommentar des SWR-Journalisten Holger Schmidt, der das Verfahren in seinem Blog verfolgte: "Ein bizarrer Satz, aber aus dem Mund eines angeklagten Terrorverdächtigen so etwas wie eine Verheißung." CHRISTIAN RATH

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.