Volksbelustigung: Rinder beim 80-Meter-Lauf

In der Wesermarsch findet am Wochenende das zweite Ochsenrennen statt. Kritiker nennen es ein unwürdiges Spektakel, das die Tiere stresse. Die Veranstalter fühlen sich verkannt.

Von den Bayern kam die Idee - aber Zwang, den soll es beim Ochsenrennen in der Wesermarsch nicht geben. Bild: dpa

Blacky, der Champion von 2008, wird auf dem Marktplatz in Rodenkirchen wieder dabei sein. Messen wird er sich müssen mit Schaumi, Günther, Rippchen und sechzehn weiteren Ochsen. Es ist das zweite Ochsenrennen, das am Wochenende zwei Gastronomen und zwei Fleischer aus der Wesermarsch veranstalten wollen. Glaubt man Tierschützern, ist es ein entwürdigendes Spektakel für die Tiere. Glaubt man den Veranstaltern, ist es eine harmlose Werbung für Ochsenfleisch, das den teilnehmenden Paarhufern ungeahnte Privilegien schenkt. Glaubt man schließlich dem Amtstierarzt, hat die Frage sogar philosophische Dimensionen.

Für die Tierschützer ist es eine "Frage der Ethik", so sagt es die niedersächsische Landesvorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes, Vera Steder: Sie nennt das Rennen ein Spektakel, das die Tiere in Stress versetze und sie "zum Belustigungsobjekt" herabwürdige. Das zweifelhafte Schauspiel, so hofft Steder, werde sich bald totlaufen, aber vorab soll noch der örtliche Tierschutzverein kontaktiert werden. Für eine Demonstration ist der zu klein, aber vielleicht reicht es für einen Infostand.

Der Regionalstellenleiter des Veterinäramts Jade-Weser, der Amtstierarzt Hans-Dieter Gahren, kann keine Anzeichen von Stress bei den Ochsen feststellen. Natürlich könne man wissenschaftliche Studien anstellen, sagt er, aber "aufgrund unserer Ausbildung als Tierärzte" könne er eindeutig sagen, dass das 80-Meter-Rennen für die Ochsen "nichts mit dem zu tun hat, was wir als Stress bezeichnen".

Keine Anzeichen von Angst habe er feststellen können, auch die Kotabsonderung sei für sich genommen kein Indiz dafür. Allerhöchstens das Einfangen zwecks Verladen könne den Ochsen in Stress versetzen. Dann sagt der Amtstierarzt noch etwas Allgemeines über Tierschützer, die gegen Fleischkonsum und damit ohnehin gegen die Existenz der Ochsen seien. Und, konkreter, einiges über die zahlreichen Auflagen für das Rennen.

So muss nachgewiesen werden, dass die Tiere mit einem Training auf das Rennen vorbereitet wurden, dass es im Ruhebereich eine Tränke gibt sowie je eine Einzelbox für Günther, Rippchen und Co. Und ohnehin sei das Antreiben "weder durch den Reiter noch durch andere Personen" zulässig.

Es scheint, dass sich in den Wesermarsch-Höfen Pragmatismus und Freundlichkeit der Kreatur gegenüber glücklich mischen, so zumindest stellt es Hans-Dieter Gahren dar und erzählt, dass Sponsoren für den Verdienstausfall der Bauern aufkämen, um dann auf die "lieben Gesten" für die Ochsen zu kommen: Die genießen eine Sonderbehandlung, glaubt man den Worten von Volker Eggen, Fleischer und Mitorganisator des Ganzen. Ein Pate sorgt von Kindesbeinen des Ochsen an dafür, dass er dem Menschen zugetan ist - "einige lieben Rosinenbrötchen, andere Kekse". Und, auch nicht zu verachten: Während der durchschnittliche Wesermarsch-Ochse zwei bis drei Jahre zu leben hat, bevor er geschlachtet wird, ist der Champion von 2008 schon vier.

Auf über 5.000 Zuschauer hofft Volker Eggen und sagt, dass in diesem Jahr die "komischen" E-Mails gegen das Rennen ausgeblieben seien. Und gegen eines verwahrt er sich: Bilder, wie jene "kuriosen" aus Bayern, wo sie die Ochsen mit Viehschwänzen antreiben: Solche Bilder, nein, die soll es aus Rodenkirchen nicht geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.