Kriegsverbrechen im Kongo: Faires Verfahren unmöglich

Der Internationale Strafgerichtshof setzt das Verfahren gegen Milizenführer Thomas Lubanga aus, der Prozess gegen Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba wird verschoben.

Entkommt offenbar einem fairen Verfahren: Kriegsverbrecher Thomas Lubanga. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bemühungen des Internationalen Strafgerichtshofs, afrikanische Kriegsverbrechen aufzuklären, erleiden einen Rückschlag nach dem anderen. Am Donnerstag setzten die Richter in Den Haag den am weitesten fortgeschrittenen Prozess gegen den ehemaligen kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga bis auf weiteres aus und erklärten, es sei angesichts des Vorgehens der Anklage kein faires Verfahren möglich.

Lubanga, während des Kongo-Krieges Führer der Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten) im nordostkongolesischen Distrikt Ituri, steht wegen Anwerbung von Kindersoldaten während des Krieges zwischen ethnischen Milizen dort 2002-03 vor Gericht. 2006 wurde er festgenommen und nach Den Haag gebracht, der Prozess gegen ihn begann Anfang 2009 als erstes Verfahren des Strafgerichtshofs überhaupt. Die Anklage führte zahlreiche Zeugen vor, die angaben, von Lubanga persönlich als Kindersoldaten angeworben worden zu sein. Aber schon in den ersten Prozesstagen widerrief einer der Zeugen seine Aussage. Im weiteren Vorgehen versucht die Verteidigung jetzt neben dem Entkräften der Vorwürfe des Chefanklägers auch nachzuweisen, dass die Zeugen der Anklage alle gelogen haben und dass ihre Aussagen auf fragwürdige Weise zustandegekommen sind. Und reihenweise sind diese Zeugen im Kreuzverhör umgefallen.

So sagte ein ehemaliger Friseur in Ituris Hauptstadt Bunia zunächst gegenüber Ermittlern, er habe als UPC-Soldat in Lubangas Hauptquartier "kleine" Soldaten gesehen, deren Gewehre größer gewesen seien als sie selbst. Vor Gericht wiederholte er diese Aussage allerdings nicht. Von der Verteidigung befragt, erzählt er vielmehr, ein lokaler Mittelsmann der Ermittler habe Geld für belastende Aussagen geboten. Der Mittelsmann habe ihm vor einem Treffen mit Ermittlern gesagt, was er diesen erzählen solle, ihm 400 US-Dollar bezahlt und auch ein Drohschreiben der UPC gefälscht.

Die Ankläger sagten in Reaktion auf diese und ähnliche Enthüllungen, die neuen Aussagen seien gelogen, aber da sie sich ursprünglich auf belastende Aussagen genau dieser Zeugen verlassen haben, werden ihre Vorwürfe gegen Lubanga mit jedem weiteren Fall dieser Art brüchiger. Die Identität und Arbeitsweise der sogenannten "intermediaries", also die Mittelsmänner des Gerichtshofs in den einstigen Kriegsgebieten des Kongo, ist damit ins Zentrum der Kontroversen vor Gericht in Den Haag gerückt. Haben sie belastende Zeugenaussagen erkauft? Haben sie dafür Geld von Ermittlern des Strafgerichtshofs bekommen?

Seit Monaten versucht Richter Adrian Fulford, die Anklage dazu zu bringen, die belasteten Mittelsmänner und Ermittler zu identifizieren, um dies klären zu können. Der Streit spitzte sich um einen als "Intermediary 143" genannten Kongolesen zu. Weil die Anklage sich kategorisch weigert, auch nur der Verteidigung zu sagen, wer das ist, setzte der Richter am Donnerstag das Verfahren aus. Er griff zu scharfen Worten: "Der Ankläger hat entschieden, diesen Angeklagten zu verfolgen. Die Kammer ist der Ansicht, dass er mit dieser Anklage nicht fortfahren darf, wenn er sich das Recht vorbehalten will, die Anweisungen der Kammer zu umgehen".

Nun sollen am 15. Juli Anhörungen über eine mögliche Freilassung Lubangas beginnen. Und usprünglich sollte am 14. Juli der Prozess gegen Kongos ehemaligen Oppositionsführer Jean-Pierre Bemba beginnen, der wegen Kriegsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik angeklagt ist und dessen Anklage nach Meinung von Beobachtern auf noch wackligeren Beinen steht. Der Prozessbeginn wurde am Donnerstag zum wiederholten Male vertagt. Am 30. August soll ein neuer Termin festgesetzt werden.

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