Video der Woche: Die schwerbewaffnete Boygroup
Posttraumatische Anzeichen bei israelischen Soldaten. Oder einfach nur ein Spaß von 18-Jährigen? Ein Video von tanzenden Soldaten sorgt für Diskussion.
Hebron, die konfliktgeladene Stadt im Westjordanland. Es ist früh am Morgen, eine israelische Patrouille läuft in einer Nebenstraße zwischen den tristen Fassaden. Die Waffe am Anschlag, in Formation. Ein allzu vertrautes Bild für die israelischen und palästinensischen Einwohner. Während der Muezzin zum Morgengebet ruft, wacht die Stadt langsam auf. Plötzlich stoppt die Formation, es macht Klick. Kein Zünder – ein CD-Player.
Eine einminütige Tanzeinlage mitten im besetzten Gebiet. Ist das nicht allzu menschlich? Drei Jahre dauert der militärische Pflichtdienst für Israelis. Es ist eine militarisierte Gesellschaft, die Israel Defense Force (IDF) fest verwurzelt in allen Bereichen des Lebens. Israel ist ein kleines Land, das permanent um sein Überleben fürchtet. Uniform, Waffe, Militär – all das ist Alltag. Und zu jedem Alltag gehört auch Spaß.
Die sechs zur Nahal Brigade gehörenden Soldaten luden das Video am Wochenende auf YouTube. Mit dem Titel “Israeli Soldiers – ‘PALHOD 50’ Rock the Casbah in Hebron”, verbreitete sich der Clip innerhalb weniger Stunden per Facebook und Twitter. Schließlich wurde auch das israelische Fernsehen darauf aufmerksam und dadurch stießen wiederum die Vorgesetzten der jungen IDF-Soldaten auf das Video.
Die Strafe für die sechs Soldaten des 50. Bataillon: Ein Lehrvideo drehen, das die Gefahr von Tanzeinlagen im Feindesland aufzeigt. Allzu ernst wird der Vorfall also nicht genommen. „Sie sollten zurechtgewiesen werden, aber nicht mehr. Die IDF sollte ihnen erklären, dass heutzutage mit dem Internet und YouTube die Sachen für jeden sichtbar sind“, meint der ehemalige israelische General Yossi Peled gegenüber Ynetnews.
Eine Erkenntnis, die schon seit dem Libanon-Krieg 2006 innerhalb der IDF reift. Damals kam es vermehrt zum Durchsickern wichtiger militärischer Informationen im Internet. Man führte daraufhin eine Sondergruppe ein, die soziale Netzwerke auf Informationslecks überprüfen sollte. Doch erst im März diesen Jahres verbreitete ein junger Soldat geheime Informationen über eine bevorstehende Operation im Westjordanland auf Facebook. Die Operation musste daraufhin abgeblasen werden.
Die tanzenden Soldaten in Hebron waren aber bedingt leichtsinnig. Leichtsinnig war es, die Tanzeinlage auf offener Straße – praktisch im Kriegsgebiet – zu machen. Allgemein sind tanzende Soldaten auf YouTube längst keine Seltenheit. In der Regel findet die Spaßeinlage aber innerhalb der sicheren Basisstation statt. Der Suchbegriff „Combat Dancing“ bringt 110 Treffer auf YouTube.
Was aber im Irak als lustige Aufheiterung wahrgenommen wird, trifft beim Nahostkonflikt auf Kritik. So wurde das Video der IDF-Soldaten mit dem Titel „Es ist einfach über eine Besetzung zu lachen, wenn man der Unterdrücker ist“ weiterverbreitet. Zu amerikanischer Popmusik tanzen, während der Muezzin zum Morgengebet ruft, trifft nicht bei jedem auf Verständnis.
Leser*innenkommentare
genervtes ich
Gast
gibt's keine nachrichten mehr, die wichtig sind?
oder ist es vielleicht viel eher so:
der nahost konflikt ist ein problem. aber das ist so ... naja, menschen müssten positionen beziehen, und dann müsste man kompromisse finden, und, ach, wenn sich immer so viele menschen damit befassen wird's so schwierig für die, die die entscheidungen treffen, das in aller ruhe und unter ausschluss der öffentlichkeit zu tun. außerdem auch immer so traurig, nee, das braucht doch kein mensch! gucken wir uns lieber bei youtube "combat dancing" videos an, anstatt der realität ins auge zu sehen: weder die idf noch irgendeine andere armee der welt ist ne boygroup und die machen auch keine sommerlichen tanzcamps, sondern sie sind soldaten, und was die machen in ihrem job ist ja weitreichend bekannt. schon zu bekannt vielleicht?
irgendwie erinnert mich das an diesen seltsamen nachrichtenbeitrag gestern im fernsehen... die bundesregierung beschließt höhere beiträge für krankenversicherte, inklusive derer, die es schon nix haben, und die nachrichten berichten stattdessen über die sinnlosig- oder sinnhaftigkeit homöopathischer medikamente.
leute, muss das echt sein? das ist doch wirklich ein bisschen einfach zu durchschauen.
also wenn ihr von mir erwartet, dass ich mir das gefallen lasse, dann frag ich doch mit recht:
und wo ist mein soma? wird mal langsam zeit, dass ihr das rausrückt, nicht?
Günter
Gast
Hallo Herr Schmidt,
sie machen sich Gedanken über posttraumatische Anzeichen bei Israelischen Soldaten. Sie hätten mal lieber was zum Massaker von Srebrenica schreiben können. Das Ereignis jährt sich heute zum 15. Mal.
Die taz hat`s völlig verpennt.
Das Massaker von Srebrenica war ein Kriegsverbrechen während des Bosnienkriegs, das durch UN-Gerichte als Völkermord klassifiziert worden ist.
Aber trösten Sie sich, nicht nur Sie haben Ihre Prioritäten woanders gesetzt.
Hab grad mal unter
http://www.friedenskooperative.de/termine.htm
gegoogelt. Ganz links findet man die Rubrik „Termine mit Suchfunktionen“.
Als dritten Unterpunkt gibt es da „Termine zu Israel/Palastina“ mit 26 Veranstaltungen noch ab heute und 1730 Veranstaltungen insgesamt ab 01.01.2006. Toll !!!!!
Rechts gibt es eine Suchfunktion. Hab unter Suche Wort Srebrenica eingegeben und bekomme als Suchergebnis:
Keine Termine, die den Suchkriterien entsprechen.
Für die toten von Srebrenica interessieren sich 15 Jahre danach weder die Feuilletons, nocht unsere Friedensfreunde.
Einfach nur peinlich !!
sue
Gast
"Zu amerikanischer Popmusik tanzen, während der Muezzin zum Morgengebet ruft, trifft nicht bei jedem auf Verständnis."
na sowas, ja wer könnte denn da wohl mit unverständnis reagieren, wenn die lustigen soldaten im "kriegsgebiet" mit MGs im anschlag ein tänzchen aufführen? ist das etwa ein anzeichen schwerer traumatisierung von ihren ewigen patrouillen inkl. nächtlichen "besuchen" von wehrlosen zivilisten im "kriegsgebiet"? sind die schon ganz meschugge von den uncoolen gesängen der meuzzin? mensch, die tun mir fast leid, die lustigen gesellen - da schließ ich mich dem autor voll und ganz an!
p.s. herr schmidt, haben sie davon schon mal gehört: israel. soldaten werden im rahmen ihrere ausbildung zum hass auf araber erzogen. komisch, nicht wahr?
Artist.A
Gast
ich finde es harmlos,menschlich witzig, ein wenig selbst-ironisch,eine mentale Pause für die jungen 18.jährige Kerle in einer stressigen Situation.
Artist.A
Gast
ich finde es harmlos,menschlich witzig, ein wenig selbst-ironisch,eine mentale Pause für die jungen 18.jährige Kerle in einer stressigen Situation.
also wem DAS jetzt nicht gefällt
Gast
der müsste wohl selber mal besetzt werden.
Ich fang hier ja schon gleich an mitzuwackeln !
gelderlander
Gast
Tanzende Soldaten in einer Menschenleeren, besetzten Stadt - das kommt mir irgendwie bekannt vor.
Habe gerade eben mal mein Geschichtsbuch durchgeblättert - es ist mir bekannt.
ich
Gast
gehts noch? Wieso regst Du Dich denn darüber auf, dass im letzten Absatz dieses Artikels eine andere Perspektive beleutet wird?! Kann doch sein, dass es Leute gibt, die finden, dass es irgendwie demütigend ist?! Genauso wie es Leute gibt, die Verständnis für infantile Aktionen aufbringen?!
Wie wär's mal mit differenzierter Betrachtung (in welchem Kontext findet die Aktion statt etc.)...kann nicht schaden...
Safety Dance
Gast
Da gibts aber wirklich bessere Aktionen. Eher schlechte Tanzeinlage. Das geht deutlich engagierter:
http://www.youtube.com/watch?v=Ld1DTmXesTo
Egal
Gast
So, mal schnell ne Aussage von nem "Passdeutschen", mit südländisch-arabischen Wurzeln oder auch ein "Schätzchen" (wie ich so liebevoll von den PI-ssern genannt werde)
Erste Reaktion als ich von dem Video gehört hab... "Na Klar... Die trauen sich was im besetzten Gebiet"
Ich dann schau ich mir das Video und was muss ich machen... Einfach nur lachen... Ich finde es... charmant! Tatsächlich... keine Ironie... Auch die Reaktion der IDF-Führung... Als Strafe ein Lehrvideo über die Gefahren von Tanzeinlagen im Feindesland drehen! Ein Traum... Ich hab immernoch Tränen in den Augen... Wenn Menschen Humor haben können sie nicht so schlecht sein...
Das Westjordanland und die Golanhöhen hätten wir dann aber gerne dennoch zurück... danke... Aber das steht auf einem anderem Blatt... Ich schau mir jetzt nochmal dieses Video an!
oldgod
Gast
@ von Hage:
haben Sie je einen tanzenden und nebenbei schiessenden Menschen gesehen? Ich auch nicht.... Meckern? Nein. Ein tanzender Mensch freut sich... Die Waffe niemals...
Klingelhella
Gast
Wo ist mein Kommentar von vorher?? Was soll das? Der war in keinster Weise zensierwürdig!
Wenn die taz an Kommentaren nicht interessiert ist, gar nicht erst heucheln!
Hage
Gast
Natürlich - es sind ja Israelis die da tanzen. Schiessen sie - ist es verkehrt, verteidigen sie sich, ist es überzogene Gewaltanwendung, tanzen sie ist es auch verkehrt.
Es würde mich interessieren, wer hier wieder zu meckern hat.
thekla
Gast
waltz with bashir
Schulz
Gast
Ich habe einfach nur Verstaendnis,
haette es wahrscheinlich lieber selbst life live
erlebt.
Mit 18 eine Minute one minute
the last dancing?
Da ich fast niemals irgendwann getanzt habe,
sah ich wahrscheinlich
im Leben
im Kindergartenalter
wenigstens tanzende Soldaten....
zum Friedenszeichen.
Da werden Aggressionen abgebaut.
Kulturkritiker
Gast
Hei, was würden hier die Antisemitismus-Vorwürfe fliegen, wenn während einer öffentlichen Aufforderung zu jüdischem Gebet eine Gruppe Moslems so etwas veranstalten würden... Und die Vorwürfe wären berechtigt.
Aber so? Kommt nichts. In diesem Fall gilt "Sind ja auch nur Menschen, diese jungen gelangweilten Wehrpflichtigen".
big brother
Gast
wie wäre es mit nachrichten?
mfg der humanismus
Klingelhella
Gast
Herr Schmidt, Sie bezeichnen Hebron als "Kriegsgebiet" -- spitzfindig gefragt: welcher Krieg ist das denn genau?
Ein Aspekt dieses Videos ist aber durchaus beruhigend: die mentale und psychische Verzweiflung übermilitarisierter Menschen, die auf Dauer niemandem gut tut und durch solche Aktionen kurzzeitig kompensiert werden muß. Interessierten kann ich hier nur den Dokumentarfilm "Flipping Out" von Yoav Shamir empfehlen.
Tanja
Gast
Der Militärdienst dauert für Männer drei Jahre. Für Frauen dauert er 20 Monate.
stephan
Gast
Ich finde etwas seltsam, dass der sogenannte "Gebetsruf" eine Sekunde vor dem anderen Stück aufhört, sogar die Worte werden abgeschnitten - genau mit dem Klick zum nächsten Lied. Hier ruft also niemand zu irgendwas. (Sekunde 0:40 - 0:46) Musste in die Story noch unbedingt religiöse Respektlosigkeit rein?