Kolumne Afrika Afrika: No shit

Früher hatte man sogar Zehn Tage nach einem Einbruch noch keine Polizeiakte. Während der WM bringt die Polizei Fälle in Rekordzeit vor Gericht.

Ein paar Tage vor WM-Beginn: Ich parke am Morgen mein Auto in der Kapstädter Innenstadt, vor einem Hauseingang mit "Sicherheitswächter" und drei Überwachungskameras. Als ich ein paar Stunden später zurückkomme, liegt nur noch der abgeschraubte Türgriff neben dem Bordstein. Der Wächter hat "nichts gesehen". Also gehe ich zur Polizeistation. Ich erkläre einer Frau in Polizeiuniform, wann ich mein Auto abgestellt habe, zeichne auf ein Stück Papier den Tatort auf, zeige den Türgriff und schimpfe über den "Security Guard". Als ich fertig bin, schaut sie mich an und fragt: "Auto weg?"

Ich realisiere schlagartig, dass mir diese Frau keinesfalls weiterhelfen wird, und bestehe darauf, ihren Vorgesetzten zu sprechen. "Detective Adams" wirkt tatsächlich kompetenter. Er behält den Türgriff als "Beweismaterial" zurück und verspricht, der Sache schnellstmöglich auf die Spur zu gehen. Zehn Tage, fünf Besuche auf der Polizeistation und 25 unbeantwortete Telefonanrufe später gibt es noch nicht einmal eine Akte.

Adams Vorgesetzter rät mir, ich solle mich bitte "entspannen" und mir "keine Sorgen" machen - die Videoaufzeichnungen werden auch nach zehn Tagen nicht gelöscht. Dabei mache ich mir keine Sorgen um die Videoaufzeichnungen, sondern um mein Auto. Ein alter Golf 1, das populärste Kapstädter Automodell, ist hier erfahrungsgemäß nach sechs Stunden in alle Einzelteile zerlegt und an die Schrotthändler der Stadt verteilt.

Die taz-Bloggerin Elena Beis lebt in Südafrika.

Das ist kein Einzelfall. Als ein Freund seinen Autounfall meldet, legt der Polizeibeamte bei der Aufnahme des Falles den Kopf auf den Tisch und schnarcht weg. Der Vater eines Bekannten wird am helllichten Tag vor seinem Holzgeschäft erschossen - und von den Tätern fehlt trotz der neun Zeugen jede Spur. Im Gangsterviertel Elsies River entwischt ein angeschossener und hinkender Gangster vor den Augen der versammelten Gemeinde - der Polizeibeamte, der ihn jagt, ist so dick, dass er nicht hinterherkommt.

Jetzt ist die WM in vollem Gange. Eigens für die Weltmeisterschaft sind landesweit 56 vorläufige Gerichte aufgestellt worden, mit eigenen - und kompetenten - Staatsanwälten, Verteidigern, Richtern und Kriminalbeamten, die im Turbo-Schnellverfahren alle Kriminellen, die irgendwie mit der WM oder WM-Besuchern zu tun haben, aufspüren und in Rekordzeit vor Gericht bringen.

Von den landesweit 142 gemeldeten Vorfällen seit Beginn der WM sind 64 bereits gelöst. Weitere 22 Verhandlungen stehen unmittelbar an. So gut wie alle Fälle, in denen Ausländer betroffen waren, sind geklärt, wobei über die Hälfte der Täter gar keine Südafrikaner sind, sondern ebenfalls Ausländer. Sogar der Obdachlose, der vor drei Tagen aus dem nicht abgeschlossenen Mietauto der US-Amerikanerin Bridget Hook eine Decke entwendete, sitzt bereits seine 20 Monate Haft ab.

Ich stehe auf der Fanmeile und genieße das unglaubliche Sicherheitsgefühl, das man hier auf einmal sogar mitten in der Nacht hat. Der Kongolese neben mir scheint genau das Gleiche zu denken: "Schau, die Kriminellen trauen sich grad nicht", sagt er. "Die wissen, die hängen sonst an ihren Eiern. Die Polizei toleriert gerade no shit." Leider ist die WM bald vorbei.

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