Schon wieder ein Wembley-Tor: Fifa weiter gegen Videobeweis

Die Rückkehr des Wembley-Tors im Achtelfinal-Klassiker Deutschland gegen England regt nicht nur Trainer Capello auf. Der Weltverband Fifa ist aber weiter gegen einen Videobeweis.

Eine Videobeweis hätte die heikle Frage um das Wembleytor 2010 sofort klären können. Bild: twitter.com/fifa

JOHANNESBURG/BLOEMFONTAIN dpa/taz | Unverständliche Karten-Willkür, unerträgliches Show-Gehabe und als Krönung jetzt auch noch ein spektakulärer "Torklau": Nach der bislang krassesten Fehlentscheidung im Achtelfinale Deutschland gegen England stehen die Schiedsrichter bei der Fußball-WM in Südafrika wie nie am Pranger. "Das war ein klares Tor. Das muss der Linienrichter sehen", kritisierte Franz Beckenbauer und prophezeite: "Jetzt wird es heiße Diskussionen geben."

Wenige Stunden später sorgte ein Abseits-Tor Argentiniens zur 1:0- Führung im Achtelfinale gegen Mexiko erneut für Diskussionen auf dem Platz. Nach dem Treffer von Carlos Tevez (26.) im Soccer City Stadion von Johannesburg beschwerten sich die Mexikaner lautstark und gestenreich bei Referee Roberto Rosetti.

Doch der Italiener nahm die Entscheidung nicht zurück, obwohl auf dem Videoschirm im Stadion bereits die Zeitlupe lief, die das Abseits deutlich zeigte. Er diskutierte mit seinem Linienrichter etwa zwei,drei Minuten lang. Und blieb bei der Entscheidung für ein Tor.

Die Debatte um den Videobeweis war da schon längst in vollem Gange. "Es ist unglaublich, dass in Zeiten moderner Technik und von fünf Schiedsrichtern solch eine Entscheidung gefällt wird", ereiferte sich Englands Coach Fabio Capello nach dem 1:4 gegen die DFB-Auswahl in Bloemfontein.

Auch Frank Lampard, dessen Schuss in der 38. Minute außer dem Schiedsrichter-Trio alle im Stadion hinter der Linie gesehen hatten, forderte für die Zukunft den Einsatz technischer Hilfsmittel: "Die Fifa hat schon Millionen von Regeln geändert. Nur die entscheidende, die das Spiel heute hätte beeinflussen können, nicht."

Der Weltverband reagierte prompt mit einer Absage und verwies auf den Beschluss des für die Regeln zuständigen International Football Association Board (IFAB). "Bezüglich der Torlinien-Technologie stimmt die Haltung der Fifa mit der Entscheidung des IFAB vom März überein", hieß es in einer Pressemitteilung am Sonntagabend. Das Gremium hatte bei seiner letzten Sitzung entschieden, keine weiteren Versuche mit Videobeweisen oder Chip-Bällen vorzunehmen.

Stattdessen wurde beschlossen, die Testphase mit zwei zusätzlichen Schiedsrichtern-Assistenten auszuweiten. Diese sollen in der kommenden Saison auch in der europäischen Champions League und EM-Qualifikation zum Einsatz kommen. In der abgelaufenen Saison hatten sie ihre Premiere in der Europa League gefeiert.

Zusätzliche Torrichter hatte Fifa -Generalsekretär Jêrome Valcke für die WM 2014 in Brasilien in Erwägung gezogen. "Wir könnten dem Schiedsrichter helfen, wenn ihn mehr Augen unterstützen", sagte Valcke. Die Einführung technischer Hilfsmittel stehe "nicht zur Debatte".

"Das war ein unverzeihlicher Fehler. Torrichter hin oder her - das muss ein Schiedsrichter-Assistent sehen", findet dagegen Hellmut Krug, Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission. Bereits vor dem Lapsus hatte die Fifa nach langem Schweigen die erschreckend schwachen Auftritte seiner WM-Referees eingestanden. "Es gab Entscheidungen, die keine guten Entscheidungen waren", sagte Generalsekretär Jêrome Valcke schon am Samstag.

Valckes klare Wortwahl machte deutlich, dass auch in der Fifa-Führungsetage bis hin zu Präsident Joseph Blatter die diffizile Thematik mit Sorge betrachtet wird. Zumal es aus aller Welt heftige Kritik an den 29 WM-Unparteiischen hagelt.

Auch der neue deutsche Referee-Chef, Herbert Fandel, zeigte sich irritiert. "Die Schiedsrichter-Leistungen haben sich stabilisiert, aber es gab eine verblüffende Phase während der WM mit bemerkenswert negativen Leistungen. Das muss man eingestehen", sagte Fandel.

"Bei einer Weltmeisterschaft sollen die besten Schiedsrichter pfeifen, die auch in den großen Ligen aktiv sind, und nicht Referees, die irgendwo am Strand pfeifen", forderte Schweiz-Coach Ottmar Hitzfeld. Neuseelands Kapitän Ryan Nelsen wunderte sich: "Wenn das die besten Schiedsrichter sind, die die Fifa zu bieten hat, will ich nicht die schlechtesten sehen."

Sorge sollte der Fifa machen, dass einige haarsträubende Fehlurteile nicht von Referees aus Fußball-Entwicklungsländern getroffen worden. Auch die Top-Schiedsrichter aus Europa und Amerika waren nicht vor Pannenpfiffen gefeit.

Und schlimmer: Die klare Linie fehlte. Spaniens Karten-Meister Alberto Undiano verärgerte in der Partie das DFB-Team mit einem Gelb-Konzert. EM-Finalreferee Rosetti, der Belgier Frank de Bleeckere oder der Mexikaner Marco Rodriguez stehen längst für ein anderes, unangenehmes Schiri-Verhalten: Mit affektierten Gesten und übertriebenem Gehabe stellen sie sich für den Geschmack vieler Fußball-Fans zu sehr in den Mittelpunkt.

Wie es bessergeht, zeigte ausgerechnet der Schiri-Nobody Rawschan Irmatow. Der Usbeke leitete nicht nur das Eröffnungsspiel, für das er völlig überraschend nominiert wurde, souverän. Auch bei seinen beiden weiteren Einsätzen agierte er unaffektiert und konsequent. Plötzlich gilt der 32-Jährige als Top-Kandidat für das Finale.

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