Nachruf auf den Liveticker: Der Blinddarm des Netzes

Er ist tot, der Fußball-Liveticker. Für seinen Abgang hat er sich eine ganz große Bühne ausgesucht - die WM, doch das Medium für Fußball-Nerds macht seinen Abgang.

Manche Dinge kann man nicht in Worte fassen: Es um Bilder, nicht um Fakten! Bild: ap

Es gibt Medien, die sind vom Aussterben bedroht. Die Zeitung steckt seit Jahren in der Krise, das Radio ist oldschool wie Günter Netzer. Dem Internet geht es dabei noch immer gut. Eine Sparte allerdings ist längst schon tot, gestorben, ohne, dass es jemand gemerkt hätte: der Online-Liveticker zu Fußballspielen.

Er hat ja auch lang genug herumgekränkelt. Tickerticker hieß es bei Zweitligaspielen von Erzgebirge Aue gegen Energie Cottbus, niemand hat mitgelesen, keinen hat es interessiert. Tickterticker hieß es von lahmen Pressekonferenzen mit Jogi Löw und Oliver Bierhoff, kein Mensch hat's angeklickt. Die Sportjournalisten haben sich die Finger wund geschrieben – und alles umsonst. Der Liveticker ist der Blinddarm des Netzes.

Bei Demonstrationen und Sitzblockaden gebührt dem Ticker alle Ehre. Hier kann er Teilnehmenden helfen, den Überblick zu behalten. Der Ticker erklärt was wo und warum los ist. Aber beim Fußball? Da geht es um Bilder, nicht um Fakten.

Denn wer möchte hektische, aber stumme „TOOOOOOOOOOOOOOOOOR“-Schreie bei Slowenien gegen Algerien, wer will all die Spielernamen ohne Gesicht im Minutentakt? Der Liveticker kann es nicht aufnehmen mit der Radio-Liveschaltung, er kann nicht mithalten mit Livestreams von WM-Spielen, auch wenn sie ruckeln und stottern.

Und wenn Ronaldos Überkopf-Tor gegen Nordkorea schon in Worte gepackt werden muss, dann am nächsten Tag in der Zeitung oder im Spielbericht gleich nach Abpfiff. Aber während des Spiels gibt es Videostreams en masse, selbst für Grottenkicks wie Slowenien gegen Algerien.

Aus der Zeit, in der tapfere Reporter aus klirrender Kälte bibbernd das Geschehen durchs Telefon durchgeben mussten, damit es den Rest der Welt erreicht, sind wir wahrlich raus. Für seinen Abgang hat er sich der Liveticker mit der WM in Südafrika nun die ganz große Bühne ausgesucht. Auf Wiedersehen, liebe Dinosaurier-Sparte des Internet. Denn: Der Liveticker ist tot, es lebe der Livestream!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.