Demo versus Straßenfest: Kleinkunst bevorzugt

Die Besucher eines Kreuzberger Straßentheater-Festivals zeigen sich von der Besetzung des angrenzenden Bethanien weitgehend unbeeindruckt. Nur der Lärm während der Räumung durch die Polizei stört etwas.

Virginia Davis fesselte die Aufmerksamkeit des Publikums Bild: Sebastian Heiser

Der Duft von Brathähnchen und Räucherstäbchen wabert über den Mariannenplatz in Kreuzberg, auf vier Bühnen treten Clowns, Magier und Jongleure auf, an den Ständen dazwischen gibt es Ethnokitsch zu kaufen. Das Kleinkunstfestival "Berlin lacht" zieht viele Paare an, die Händchen halten, viele Kinder, die große Augen bekommen - und plötzlich auch schwarz gekleidete Autonome. Es ist Samstag, früher Abend, auf der Bühne vor dem Bethanien zeigt Virginia Davis gerade, dass eine Person ein Musikstück mit neun Musikinstrumenten gleichzeitig aufführen kann, darunter zwei Rasseln, zwei Flöten, und eine Ukulele. "Haut ab, haut ab!", brüllt eine größere Menschenmenge plötzlich aggressiv von hinten. Und dann: "Keine Gewalt, keine Gewalt!"

Im Anschluss an die Demonstration "Wir zahlen nicht für eure Krise" hatten ein paar hundert Teilnehmer unter dem Titel "Create Utopia" gegen Verdrängung aus dem Kiez durch Mietsteigerungen sowie für mehr "Freiräume" demonstriert - und kurzerhand den Nordflügel des Bethanien okkupiert, aus dem das Künstlerhaus gerade ausgezogen war. Sie kritisieren, das ehemalige Diakonissen-Krankenhaus - von Rio Reiser im "Rauch-Haus-Song" besungen - stehe "von vornherein nur Vereinen offen, die in ihrem Bereich etabliert sind und viel Geld haben", heißt es in einem im Internet veröffentlichten Schreiben. Man selbst wolle dagegen "einen Raum schaffen, in dem die finanziellen Möglichkeiten einer Person nicht über ihre Zugangschancen entscheiden". Ihre Utopie: "Wir stellen uns ein selbst verwaltetes Stadtteilzentrum vor, das aus einer kollektiven Gemeinschaft verschiedener Projekte besteht, in denen alle vielfältig arbeiten können und die unterschiedlichsten Interessen und Schwerpunkten Raum bieten."

Die Polizei beendet diesen Traum ganz schnell. Polizisten in voller Kampfmontur vertreiben die Besetzer, die sich lautstark wehren. "Could you be quiet please", fordert Davis von der Bühne aus und versucht, sich nicht aus dem Konzept ihrer Show bringen zu lassen. Ihr Publikum dreht zwar ein paarmal den Kopf um in Richtung der Freiraumkämpfer. Aber als Virginia Davis einen Feuerreifen um ihre Hüften schwingt, schauen alle wieder gebannt zu ihr.

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