Kommentar Friedensdschirga: Demokratie und Defizite

Nicht alles war schlecht an Afghanistans Friedensversammlung. Teilnehmer beschreiben die Diskussion als demokratisch. Aber Präsident Karsai ist beratungsresistent.

Nicht alles ist schlecht an Afghanistans Friedensdschirga. Die Diskussion in den Arbeitsgruppen beschrieben selbst kritische Teilnehmerinnen als "offen" und "demokratisch". Trotz strikter Regierungskontrolle finden sich unter 1.600 afghanischen TeilnehmerInnen dafür immer noch genügend Freigeister.

Demokratie und Pluralismus sind eben keine Fremdworte für das oft als "kaputtes mittelalterliches Land" (so letzte Woche der neue Tory-Verteidigungsminister Fox) bezeichnete Afghanistan. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Es wäre nicht die erste demokratische Diskussion im Nach-Taliban-Afghanistan, die folgenlos bliebe. In Schlüsselfragen fallen Entschlüsse nämlich im kleinen Kreis.

So ist noch nicht ausgemacht, dass die Vorschläge aus der Friedensdschirga auch tatsächlich in die afghanische Regierungspolitik einfließen. Abgesehen von Karsais Beratungsresistenz, außer gegenüber ehemaligen Warlords, stehen da auch noch "die Ausländer" im Weg.

ist Kodirektor des unabhängigen Thinktanks Afghanistan Analysts Network (Kabul/Berlin).

Der von den Briten geschriebene "Friedens- und Reintegrationsplan" wurde auf der Dschirga weder vorgestellt noch diskutiert, aber vom Vorsitzenden - undemokratisch im Namen aller - pauschal gutgeheißen. Vor allem aber gibt es noch immer Differenzen zwischen Karsai und den USA darüber, ob man nun nur Taliban-Fußsoldaten reintegrieren soll - nach vorheriger "Abkehr von der Gewalt" (also Kapitulation) - oder tatsächlich mit der Taliban-Führung reden will.

Obama will zuerst eine Militäroffensive durchziehen und die Taliban schwächen. Deshalb enthielt Karsais Rede in der Dschirga an diesem Punkt nichts als oft gehörte, vage Aufrufe, in den Schoß des Vaterlandes zurückzukehren.

Es könnte also sein, dass der Friedenskurs für Afghanistan weiterhin in Washington bestimmt wird - trotz aller Dschirga-Demokratie.

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