Letzter WM-Test: Ungehemmter Spieltrieb

Der ansehnliche Auftritt der deutschen Nationalelf gegen Bosnien-Herzegowina stärkt die Zuversicht im deutschen Team.

Es kann endlich losgehen. Am Sonntag hebt der Super-Airbus A 380 in Frankfurt mit der deutschen Elf nach Südafrika ab. Bild: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Schon am Sonntag kommen sie alle wieder. Erneut nach Frankfurt, diesmal statt in die Arena im Stadtwald an den Flughafen ins Airporthotel. Treffpunkt 18 Uhr, dann gehts raus zum Rollfeld zu einem finalen Fototermin auf deutschem Boden, ehe um 20 Uhr der Jungfernflug des neuen Airbus A 380 Spieler, Trainerstab und den begleitenden Tross der deutschen Nationalmannschaft nach Südafrika bringen soll.

Bammel an Bord gilt nicht, "Gott sei dank sind die Testflüge doch gut verlaufen", sagte Thomas Müller mit schelmischen Grinsen. Was für den teuren Riesenflieger gilt, gilt auch für die deutsche Nationalmannschaft, deren finaler Testlauf beim 3:1 (0:1) gegen Bosnien-Herzegowina mit Toren von Philipp Lahm (50.) und Bastian Schweinsteiger (73. und 77./beide Foulelfmeter) zeitweise richtig gut ausgeschaut hatte.

Keine halbe Stunde dauerte es hernach, dann hetzten die Spieler des FC Bayern zum Charter oder die Profis von Werder Bremen zum Fahrdienst, um zweieinhalb freie Tage zu genießen. So richtig frei ist natürlich nicht, "drei Tage ohne Training wären in dieser Phase auch nicht gut", mahnte Bundestrainer Joachim Löw, "am Samstag muss jeder in Eigenverantwortung etwas tun".

Aktive Regeneration lautet der Terminus, im Prinzip reicht es, durch Wald und Wiesen zu joggen, notfalls mit Hund oder Freundin stramm spazieren zu gehen. Durchatmen vor einem Championat, das nach dem leidenschaftlichen Auftritt vom Donnerstagabend in Frankfurt auch Löw mit weniger Selbstzweifel angeht: "Wir haben eine gute Mannschaft, eine gute Stimmung und können ein gutes Turnier spielen. Ich habe absolutes Vertrauen."

Der 50-Jährige hat möglicherweise einen Kreis um sich geschart, der Tag für Tag, Spiel für Spiel mit spielerischer Leichtigkeit dazulernt. Dieser im Durchschnitt mit 24,96 Jahren jüngste deutsche WM-Kader seit 1934; diese Mannschaft, von denen zentrale Kräfte (Manuel Neuer, Sami Khedira und Mesut Özil) im vergangenen Sommer noch beifallumtost den EM-Titel bei der U 21 gewannen, führt ein fußballerisches Versprechen mit ans Kap.

"Wir haben viele junge Spieler, die technisch sehr gut sind, die gut kombinieren können", so Löw. Und auf die Frage, ob der Badener den Spieltrieb denn nicht ein bisschen bremsen wolle, antwortete er in seinem eigenwilligen Idiom: "Auf keinen Fall. Wir wollen nicht Fußball verwalten, sondern Fußball spielen. Wer glaubt, dass man 2010 nur über die Defensive Titel gewinnt, der täuscht sich."

Löw drückte sich dabei mit derselben Selbstüberzeugung aus, mit der seine Vertrauten das Publikum mitgerissen hatten. Die Feier- und Klatschparade im Frankfurter Stadtwald demonstrierte, dass der Rückhalt aus der Heimat im Grunde ähnlich gewaltig wie bei der Heim-WM vor vier Jahren ist, selbst wenn in Durban, Port Elizabeth und Johannesburg nicht so viele schwarz-rot-goldene Daumendrücker auf den Rängen sein werden.

Möglich sogar, dass sich die Nation der vermaledeiten Rumpelfüßler leicht und locker durch die Vorrunde schwingt - vor allem Australien (13. Juni) und Ghana (23. Juni) sind in dieser Verfassung nicht zu fürchten. Philipp Lahm, mit 26 der Kapitän, erklärte: "Vor der WM 2006 hatte ich ein ganz gutes Gefühl. Jetzt ist es noch besser."

Und Bastian Schweinsteiger, mit 25 Jahren vor seinem 75. Länderspiel, ergänzte: "Wir sind spielstärker und passsicherer geworden. Das ist ein ganz anderer Fußball als vor Jahren." War da eine versteckte Spitze gegen den Anführer Michael Ballack herauszuhören?

Auch wenn unsicher ist, ob Holger Badstuber hinten links die Idealbesetzung bleibt; wenn unklar ist, ob eine zentrale Verteidigung mit Arne Friedrich (Löw: "Er hat mich in der Vorbereitung enorm überzeugt: Er ist schnell, er ist konzentriert, er ist laut") an der Seite von Per Mertesacker der Weisheit letzter Schluss darstellt, so erscheint das Zusammenwirken in vorderen Regionen längst positiv unberechenbar.

Lukas Podolski nähert sich der Form der vergangenen Turniere, Mesut Özil führt fast unscheinbar, aber enorm effektiv Regie, dazu unterstrichen die in der Halbzeit eingewechselten Cacau und Thomas Müller, dass allein sie - und nicht Miroslav Klose und Piotr Trochowski - übernächsten Sonntag in die Startelf gehören. Und wer einen dribbelnden Irrwisch wie Marko Marin einwechseln kann, der es mit drei Gegenspielern aufnehmen würde, die drei Köpfe größer sind als er selbst, der hat eine Geheimwaffe in der Hinterhand.

Fast schon rotzfrech, wie der Ur-Bayer Müller, 20 Jahre, zweite Bundesligasaison, zweites Länderspiel, im perfekten Englisch einem australischen Reporter ins Mikrofon diktierte: "We want to win the group." Und gewiss nicht nur das.

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