Euro-Rettungspaket: Die Woche der Kanzler-Präsidentin

Die Union und die FDP stimmen fast geschlossen für das Euro-Rettungspaket. Die Opposition geschlossen dagegen. Und mittendrin steht die Kanzlerin.

So macht das Regieren keinen Spaß: Merkel am Freitag im Bundestag. Bild: ap

BERLIN taz | Diese Transaktion ist ihr nicht geglückt. Trotz ihrer Kehrtwende bei der Finanzmarktsteuer, trotz ihres Werbens um die Zustimmung der SPD blieb Angela Merkel an diesem Freitag mit der FDP alleine. Anders als beim Hilfspaket für Griechenland zwei Wochen zuvor versagten ihr beim Rettungspaket für den Euro auch die Grünen ihre Stimmen. Kein einziger Abgeordneter der Opposition votierte für das Gesetz, nur sechs Parlamentarier der Koalition dagegen. So geschlossen hatte man die politischen Lager in Deutschland schon lange nicht gesehen.

Ganz so einfach ist es eben nicht, eine unpopuläre Koalition zu führen und gleichzeitig mit zwei populäreren zu liebäugeln. Immer ein Auge zurückzuwerfen auf die Koalition mit der SPD, der die einen nachtrauern, und einen Blick vorauszuschicken auf ein mögliches Bündnis mit den Grünen, das die anderen erhoffen. Es ist die Strategie, die Merkel schon am Abend der Bundestagswahl angelegt hatte. "Ich will die Kanzlerin aller Deutschen sein", sagte sie da. Es war der Satz einer Präsidentin, nicht der Satz einer Regierungschefin.

Schon bei den Koalitionsverhandlungen hielt Merkel die FDP auf Abstand, speiste sie mit Zusicherungen ab, denen das Verfallsdatum der nordrhein-westfälischen Landtagswahl schon eingeschrieben war. Am Tag nach dem Düsseldorfer Votum kassierte sie erwartungsgemäß den Wunsch nach Steuersenkungen. Vor den Gewerkschaftern des DGB stöhnte sie dann öffentlich über ihr Bündnis mit der FDP. "Ja, so isses", sagte sie, "das hat der Wähler so gewollt." Wenige Tage später überging sie dann auch noch das liberale Veto gegen eine Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte.

FDP ist sprachlos zornig

Die FDP hat bislang kein anderes Gegenmittel gefunden als sprachlosen Zorn. In der Bundestagsdebatte vom Mittwoch torpedierte sie offen die Versuche der Union, die Opposition für ein Ja zur Euro-Rettung zu bewegen. Fraktionschefin Birgit Homburger wütete gegen die SPD. Dabei hatte sie noch nicht einmal gesehen, wie sich CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und SPD-Amtsvorgänger Olaf Scholz sich morgens in der Cafeteria zum trauten Frühstück trafen.

Am Freitag, als die Enthaltung von SPD und Grünen feststand, konnte sich Guido Westerwelle wieder entspannen. Zumindest glaubte er es. Er hielt im Bundestag die staatsmännische Rede eines Außenministers. Es war eine der ersten Gelegenheiten, bei denen sich Westerwelle überhaupt zur Eurokrise einließ. Auf der Regierungsbank scherzte Merkel demonstrativ mit ihrem Stellvertreter. Anders als in den Wochen zuvor ließ er sich darauf ein und scherzte mit.

Es war aber nur eine Momentaufnahme. Am Abend zuvor hatten SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen ihre Sondierung mit der Linkspartei für gescheitert erklärt. Beendet war damit vorerst auch der Versuch, die Rückkehr der politischen Lager zu inszenieren. Auch deshalb konnten die Grünen am Freitag nicht für das Rettungspaket stimmen. Ein neuerlicher Schulterschluss mit Merkel, einen Tag nach der Absage an ein Düsseldorfer Linksbündnis – das hätte allzu sehr danach ausgesehen, als hätten die Grünen ihre Richtungsentscheidung jetzt getroffen.

Bündnis mit Verfallsdatum

Für Merkel als Kanzlerin ist das Düsseldorfer Koalitionsspiel ohne Belang, die Bundesratsstimmen sind so oder so von der SPD blockiert. Für Merkel als Parteivorsitzende ist es existenziell. Nun bleibt es aller Voraussicht nach dabei, dass die Union in den fünf Jahren Merkels Kanzlerschaft in keinem Bundesland den Posten des Ministerpräsidenten räumen musste. Gerhard Schröder hatte zu diesem Zeitpunkt schon fünf Regierungschefs auf dem Gewissen. Es waren 6.200 Stimmen, die das Desaster abgewendet haben.

Kommt es zur großen Koalition in Düsseldorf, dann regiert die Union in sechs Ländern mit der SPD oder mit den Grünen, in sechs Ländern mit der FDP – solange, bis sich nächstes Jahr womöglich auch der Schwabe Stefan Mappus einen neuen Bündnispartner suchen muss. In rasantem Tempo hat sich die Farbkombination Schwarz-Gelb von einem expandierenden Geschäftsmodell zu einem Bündnis mit Verfallsdatum entwickelt.

Was das bedeutet, auch für die politische Richtung der Union, das wissen natürlich Merkels Rivalen in der CDU. Sie nutzen die Blößen, die sich die Kanzlerin gibt. Zuletzt Horst Seehofer. In einem Zeitungsinterview kritisierte er pünktlich zur Bundestagsdebatte Merkels spätes Handeln in der Eurokrise. "Die Alternativen hätte man vor einigen Monaten beschreiben müssen", sagte er über das Rettungspaket.

Seehofer kritisierte auch Merkels kabarettreifen Umgang mit der Forderung nach einer Transaktionssteuer. Hatte die Kanzlerin am Sonntag beim Deutschen Gewerkschaftsbund noch erklärt, die Steuer sei international sowieso nicht durchzusetzen, machte sie sich die Forderung zwei Tage später zu eigen – zu einem Zeitpunkt, als sich Finanzminister Wolfgang Schäuble noch der alten Sprachregelung bediente.

Attacken aus der eigenen Partei

Merkel selbst vertrat die Steuer am Mittwoch im Bundestag nur halbherzig, wohl aus Rücksicht auf die FDP, um sie einen Tag später auf einer internationalen Finanzmarktkonferenz regelrecht zu fordern. "Da fühlt sich doch die Bevölkerung verhöhnt", lästerte Seehofer. Über seinen eigenen Umgang mit der Forderung nach Steuersenkungen sprach er allerdings nicht.

Die Gerüchte, der hessische Ministerpräsident Roland Koch werde möglicherweise als Finanzminister nach Berlin wechseln, waren zwei Tage nach der NRW-Wahl von ihm selbst dementiert worden. Er eröffnete die innerparteiliche Attacke auf die Kanzlerin mit einer Fundamentalkritik am Erfolgsthema von Merkels erster Amtszeit, dem Ausbau der Kinderbetreuung. Doch war er damit der erste, der in der Haushaltsfrage Klartext sprach – während Schäuble die Lage im Einvernehmen mit der Chefin schönredet. "Es wird nicht so dramatisch werden", sagte er am Mittwoch über die nötigen Einschnitte.

Dabei war längst klar, dass Merkel die gewünschte Expansion des Bildungswesens gegen die Ministerpräsidenten gar nicht durchbekommt. Zuschüsse des Bundes nehmen die klammen Länder gern. Verbindliche Zusagen, dass das Geld auch wirklich in die Bildung fließt, verweigern sie hingegen.

Das war schon auf dem zurückliegenden Bildungsgipfel im Dezember so, und es gibt kaum Anzeichen dafür, dass es beim nächsten Termin am 10. Juni anders ist. Die vom Bund gewünschte Bafög-Erhöhung legten die Finanzminister am Freitag vorsorglich auf Eis.

Der dritte Angriff gegen Merkels Konsenspolitik kam vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus. Er wandte sich gegen die Rechtsauffassung des Berliner Umweltministers Norbert Röttgen, der für längere Atomlaufzeiten die Zustimmung des Bundesrats für nötig hält.

Eilig versicherten Merkels Leute in Berlin, an einer Mitsprache der Länderkammer bei schwarz-gelben Gesetzen sei auch ihnen selbstverständlich nicht gelegen. Sie hielten es für nötig, das eigens zu betonen. Die Freunde schwarz-gelben Durchregierens sind sich nicht sicher, ob die Kanzlerin das tatsächlich so sieht.

Aus ihrem Versuch, die sie Selbstentzauberung der FDP abzuwarten, ist Merkels CDU nicht unbeschadet hervorgegangen. Zumal im Angesicht einer Krise, die vielen zu ernst scheint für taktische Spielchen. Ob sie mit entschlossener schwarz-gelber Politik erfolgreicher gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt.

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