„Wir leben vom Dreck unter unseren Füßen“

REGIONALE WERTE Starköchin Sarah Wiener und Klaus Töpfer, einst Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, im Gespräch über gesundes Essen, gute Böden und die neue Wertschätzung des Regionalen

■ geboren 1962, TV-Köchin und Unternehmerin. Gründete 2007 die Sarah Wiener Stiftung „für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“, engagiert sich in ernährungs- und umweltpolitischen Fragen und ist Botschafterin des UN-Programms für Biodiversität.

INTERVIEW EDITH KRESTA

taz: Sie werden auf dem taz.lab über nachhaltiges Land- und Bodenmanagement diskutieren. Was führt beides zusammen?

Sarah Wiener: Die Liebe zum Essen und die Liebe zum Boden, dass jedes Samenkorn einmal aus dem Boden gekommen ist. Wir leben vom Dreck unter unseren Füßen. Es ist für jeden Koch nur logisch, sich für die Vielfältigkeit der Sorten, Rassen und Böden zu interessieren.

Klaus Töpfer: Es ist uns gar nicht bewusst, welche Bedeutung Böden für unsere Ernährung haben. Wir gehen mit ihnen um, als seien sie eine erneuerbare Angelegenheit. Aber Böden brauchen Tausende von Jahren, um sich zu erneuern – und das bei einem Druck von fast 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten.

Sarah Wiener: Ich selber kaufe zum überwiegenden Großteil von Produzenten, von Bauern, die ich kenne. Ich weiß, wie sie das Schwein gehalten haben, oder woher die Karotte kommt. Ich habe selber vor Berlin einen Acker für fast vergessene Gemüse- und Obstsorten. Und ich habe eine eigene Hühnerzucht mit fünf alten Hühnerrassen. Weil man diese nicht mehr bekommt. Wir meinen zwar, aufgeklärt zu sein und zu wissen, was wir essen, doch so ist es gar nicht: Wir wissen nicht, woher unsere Lebensmittel kommen, nicht einmal, was in den stark verarbeiteten Lebensmitteln drin ist. Ich als leidenschaftliche Köchin möchte gern wissen, was ich esse.

■ geboren 1938, studierter Volkswirt. Von 1987 bis 1994 war er unter Kanzler Helmut Kohl Bundesminister für Umwelt und Naturschutz. Der ehemalige Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) erhielt 2008 für sein Lebenswerk den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Ist Nachhaltigkeit für Sie gleich Qualität?

Klaus Töpfer: Ja, und ich sehe mit großer Freude, dass wir jetzt auch Angebote aus der Region im Supermarkt haben. In vielen Bereichen ist eine Renaissance des Regionalen zu beobachten. Das zahlt sich aus. Ich brauch keine hybriden, weltweit gehandelten Rinder. Wir müssen schrittweise zurück zu dezentralen Produktionen, auch im technischen Bereich.

Sarah Wiener: Qualität ist nicht, aus zwanzig Obstsorten einen Obstsalat, sondern aus einer Sorte zwanzig Gerichte zu machen.

Sarah Wiener & Klaus Töpfer sprechen auf dem taz.lab zum Thema „Das Gute liegt so nah“ (9 Uhr).