Die Idee der Ökumene: Zäher Groove, zarte Bande

Vielen Kirchentagsbesuchern fällt es schwer, die Brücke zur anderen Konfession zu schlagen - außer im Gesang. Doch die stillen Stars sind Fulbert Steffensky und Otto-Hermann Pesch.

Trotz aller Rhetorik: Das große ökumenische Wir-Gefühl will in München nicht so recht aufblühen. Bild: thomas dashuber

MÜNCHEN taz | Und dann ist es, Gott sei Dank, doch wie immer: Von weit hinten in der S-Bahn sind Kirchenlieder zu hören, gesungen von einer beseelten Jugendgruppe. Die rund zehn Jugendlichen hier in der Mitte des Waggons zögern dagegen noch, ob sie mit einstimmen sollen, ganz so cool ist das ja nicht, selbst auf dem Ökumenischen Kirchentag in München.

Ein etwas selbstsichereres Mädchen schlägt „Laudato si“ vor oder wenigstens „Damit ihr Hoffnung habt“, den Kirchentagssong der christlichen Hip-Hop-Band „Wise Guys“, schließlich sei der Song „endgut“. Aber einigen kann man sich dann doch nur auf den Gröhlsong „Eisgekühlter Bommerlunder“. Die Stimmung wird zusehends anders-christlicher. Ein Jugendlicher erklärt laut und großmäulig, nach der Konfirmation gehe er bestimmt nicht mehr in den Gottesdienst. Und das längst singbereite Mädchen meint in einer überraschenden Grundsatz-Sentenz, sowohl Katholiken wie Protestanten seien zwar gläubig – aber Protestanten „cool gläubig“.

Wie steht es um die Ökumene auf diesem Kirchentag, dessen Wesen ja dadurch geprägt sein soll, folgt man seinem Namen - wie steht es um das Gemeinsame, um das zu Überbrückende zwischen Katholen und Evangelen? Das Zusammenspiel der Konfessionen ist rein zahlenmäßig wohl das bestimmende Thema des großen Christentreffens, von den rund 3.000 Veranstaltungen sind ein paar Hundert diesem mühsamen, womöglich mühseligen Feld gewidmet.

Aber ein gemeinsames Abendmahl, das deutlichste Zeichen gegenseitiger Verbundenheit, will die katholische Seite nicht wagen, nachdem zwei Pfarrer brutal zurecht gewiesen wurden, als sie vor sieben Jahren am Rande des ersten Ökumenischen Kirchentags solche Feiern zelebrierten. Einerseits wollen die in München versammelten Laien dieses Jahr nicht schon wieder zwei katholische Priester 'verbrennen', andererseits Rom nicht verprellen.

So findet auch in der bayerischen Landeshauptstadt die ganz große Verschwisterung mit Hilfe eines gemeinsamen Abendmahls nicht statt. Und ab und zu blitzen auch hier die Differenzen auf, die es zwischen den Glaubensbekenntnissen gibt – etwa als der eindeutige Star des Kirchentags, die wegen einer Alkoholautofahrt zurückgetretene Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, am Donnerstag auf die prima Idee kommt, die Pille anläßlich ihres 50. Jubiläums ein „Geschenk Gottes“ zu nennen. Das finden konservative Katholiken nicht so einladend.

Dennoch herrscht natürlich ein ökumenischer Geist auf dem Kirchentag. Und vielleicht am schönsten wird das deutlich beim sehr gut besuchten Zwiegespräch zwischen zwei alten Recken der ökumenischen Bewegung. Da ist der ehemalige katholische Benediktiner-Pater Fulbert Steffensky, der zum Protestantismus konvertierte und mit der verstorbenen Jahrhunderttheologin Dorothee Sölle verheiratet war. Und an seiner Seite der in der Glaubensszene berühmte katholische Theologe Otto Hermann Pesch, der an einer evangelischen Fakultät der Universität Hamburg lehrte. Es sind theologische Brückenbauer der Spitzenklasse, so unwahrscheinlich in ihrer Biographie, dass sie noch nicht einmal erfunden sein könnten.

Im Saal B0 des Messegeländes reden sie am Donnerstagnachmittag, poetisch beide auf ihre Weise, von der Rechtfertigungslehre, einem ziemlich sperrigen Thema, das vor allem für Protestanten das Kernstück ihrer Theologie ist. Und wie sich da die beiden alten Herren, die sich duzen, die theologischen Bälle beinah freundschaftlich gewogen zuwerfen, sich sanft gegenseitig korrigieren und am Ende beinahe zärtlich-traut die Hände beim Schlussapplaus geben – das muss jeden rühren, dessen Herz auch nur ein ganz klein bisschen für die ökumenische Sache schlägt.

Der Absturz nach diesem kleinen Hochamt der christlicher Brüderliebe folgt kurz danach am Eingang des „Circus Krone“. Hier soll ein Abend der Kabarettisten Eckart von Hirschhausen und Jürgen Becker zum Thema Ökumene stattfinden – eine schöne Idee, aber die Sache geht voll in die Hose, denn Tausende Menschen, die in den Veranstaltungsort wollen, drücken sich vor dem Eingang fast tot. Da ist sehr wenig von christlicher Nächstenliebe zu spüren, eher ein Stück von der Roheit am Rande von Fußballstadien. Es ist fast ein kleines Wunder, dass bei diesem abstoßendem Gedränge niemand krank gequetscht wurde.

Viel zivilisierter geht es dann am Freitagabend bei dem ökumenischen Höhepunkt des Kirchentags auf dem Odeonsplatz in der Münchner Innenstadt zu. Es ist eine Art orthodoxe Agape-Feier, das heißt das gemeinsame Essen gesegneten Brotes an 1.000 Tischen unter freiem Himmel. Fast alle Tische sind auch besetzt, das Fernsehen hat seine Bilder. Aber auch hier mag das große ökumenische Wir-Gefühl nicht so recht aufblühen, zu fremd und zu steif wirken die orthodoxen Riten mit uralten Gebeten, viel Weihrauch und fremden Riten auf das Publikum. Auch das Wetter spielt nicht mit, es ist stark bedeckt, ja ausgesprochen kalt für einen Maienabend. Nur wenig spirituelle Ergriffenheit ist denn auch hier zu spüren, eher touristisches Interesse, was es so alles gibt. Immerhin, die Musik der drei Chöre ist wunderbar.

Dennoch, natürlich gibt es auch in München die Momente des ökumenischen Wohlklangs – aber die sind am ehesten, wie bei dem Gespräch zwischen Steffensky und Pesch, bei den eher kleinen Veranstaltungen zu erleben. Am Donnerstagabend beispielsweise in einem kleinen Zirkuszelt im Münchner Stadtteil Laim. Die evangelische und katholische Gemeinde des Ortes hat zu einem Gospelgottesdienst eingeladen, und sieht man einmal davon ab, dass Weiße es sowieso mit dem Soul eher schwer haben, macht der Chor seine Sache doch ziemlich gut. Die Sängerinnen und Sänger singen die Klassiker wie „When the Saints“ und einen Hit aus dem Hollywoodfilm „Sister Act“, und manchmal groovt auch das Publikum mit. Das kommt dann, wie auch die gemeinsamen Gebete, so leicht und zugleich innig daher, dass man sich am Ende schon fragt: Wo war noch mal das Problem mit der Ökumene?

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