Bundestagsjuristen zur AKW-Debatte: Länder müssen längeren Laufzeiten zustimmen
Um die Kernkraftwerke länger am Netz zu lassen, benötigt Schwarz-Gelb ein Ja des Bundesrats, urteilen die Bundestagsjuristen. Atomstrom-Befürworter sehen das anders.
BERLIN afp/taz | Bisher ist unter Politikern und Juristen umstritten, ob der Bundesrat bei einem möglichen Ausstieg aus dem Atomausstieg mitreden muss. Nach der Landtagswahl in NRW kann dies aber entscheidend sein. Denn mit dem Machtverlust von Schwarz-Gelb ist auch die Mehrheit von CDU und FDP im Bundesrat dahin. Grüne, Rote, Linke könnten den Ausstieg aus dem Atomausstieg blockieren.
Zumeist arbeitet der wissenschaftliche Dienst des Bundestages unauffällig. Doch spielt er eine große Rolle, etwa wenn er Abgeordneten in Verfahrensfragen hilft wie dieser: Muss die Länderkammer den von Schwarz-Gelb geplanten längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke zustimmen? Ja, urteilen die Bundestagsjuristen. Atomstrom-Befürworter wie Roland Koch (CDU) sehen das anders, weil der Bundesrat seinerzeit dem Atomausstieg nicht zustimmen musste.
Die Experten des Bundestags argumentieren in einer zweiseitigen Analyse: "Für Laufzeitverlängerungen bzw. die Wiederzulassung der dauerhaften Nutzung der Atomenergie ist eine Gesetzesänderung erforderlich, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf." Blieben die Meiler länger am Netz, führe dies "zu einer Verlängerung der Vollzugsaufgaben mit entsprechendem Personal- und Kostenaufwand der Länder, was die Zustimmungsbedürftigkeit auslöst". Die Länder sind für die Überwachung der Reaktoren zuständig.
Ähnlich sieht das auch Ursula Heinen, CDU-Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Zuständige im Wirtschaftsministerium hingegen glauben, man könne das Gesetz so formulieren, dass der Bundesrat nichts zu sagen hat. Beschließt die Regierung die Verlängerung der Laufzeiten aber ohne Bundesrat, könnte es zu einem langen Streit kommen – und das Bundesverfassungsgericht am Ende das Gesetz kippen.
Auch CDU-Vizechef Roland Koch will den Ausstieg aus dem Ausstieg ohne den Bundesrat durchsetzen: "Von den Plänen, die Laufzeiten von Kernkraftwerken zu verlängern, müssen wir uns nicht verabschieden", sagte er dem Hamburger Abendblatt mit Blick auf das Wahlergebnis in NRW. Der hessische Ministerpräsident erinnerte daran, dass das Atomausstiegsgesetz der rot-grünen Bundesregierung ohne Zustimmung der Länderkammer zustande gekommen sei. „Die Bundesregierung wäre gut beraten, ihren Gestaltungsspielraum bei der Laufzeitverlängerung zu nutzen“, erklärte Koch.
Zurückhaltender verhält sich dagegen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Er sprach sich zwar ebenfalls dafür aus, an den Plänen festzuhalten. Zur Rolle des Bundesrats im Falle einer Verlängerung wollte sich der Minister aber nicht eindeutig äußern: "Ob die Laufzeitverlängerung einer Zustimmung des Bundesrates bedarf, können wir erst sagen, wenn die konkrete gesetzliche Ausgestaltung klar ist."
Eines wurde nach Ansicht von Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe in den letzten Tagen jedenfalls deutlich: Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist ein juristisches Risiko – und ein politisches. Das habe sich bei der NRW-Wahl gezeigt. Die Grünen ("Atomkraft? Nein danke!") haben als einzige Partei Nichtwähler hinzugewonnen. Es bleibt offen, wie sehr das Schwarz-Gelb beeindruckt.
Leser*innenkommentare
Gauss
Gast
Lieber Bürger G., liebe Atomlobby:
1. Nice try Guybrush.
2. War das jetzt eine freudsche Fehlleistung, statt "überwältigende" "überwäligende" Mehrheit zu schreiben? Jaja, die Wahlen habens gezeigt, gelle?
3. Das Moderne Wunder der Statistik:
Wie du so schön zitierst, haben überwäligende (hihi) 81 % mit Ja auf eine Frage geantwortet. Die könnte etwa gelautet haben: "Glauben Sie, dass es in D noch einige Jahre lang Atomstrom geben wird?" Oder auch so ähnlich.
Was die Statistik jedoch NICHT offenbart, ist die persönliche Meinung der Befragten, ob das jetzt gut so sei, oder nicht.
Und in diesem Sinne muss ich doch sehr bitten. Was hier von dir betrieben wird ist Meinungsmache aller billigster Art, und da muss ich mich schon fragen, ob dein Konto vielleicht von der Atomlobby gefüttert wird.
Nichts für ungut. Und mir ist bekannt, dass so ein AKW an jedem einzelnen Tag, den es länger laufen darf, so etwa ein Milliönchen Euros einfährt. Daher versteht sich von selbst, wie sehr da manche dran hängen. Das ändert aber nichts an den damit verbundenen Risiken, ganz zu schweigen, dass der Müll der hier entsteht für einige zehntausend Jahre strahlen wird.
Man stelle sich nur mal vor, die Steinwerkzeuge der europäischen Neandertaler würden so strahlen. Da würden wir uns aber garnicht freuen, immer wieder welche auszubuddeln.
Mit freundlichen Grüßen,
deine Gaussche Glockenkurve.
Klaus Keller
Gast
Roland Koch liegt wohl richtig.
Rot-Grün wollte ohne den Bundesrat zu fragen aussteigen, Schwarz-Gelb will weiterfahren.
Auch wers blöde findet muß sich schon fragen lassen warum die Verlängerung nicht mit den gleichen Methoden durchgesetzt werden darf wie der Ausstiegsversuch.
Wenn Atomkraftwerke unsicher sind muß man sie abschalten egal wie lange sie schon in Betrieb sind.
Das gemauschel über die Laufzeiten war grober unfug.
So darf E.on vom abgschalteten Stade(?)Kapazitäten an RWE verkaufen die es wohl für Biblis A nutzt.
Wenn Rot-Grün seinerzeit so bekloppte Gesetzte erlassen hat sollten sie heute eher die Klappe halten.
In anderen EU-Staaten sind alle AKW-Staatsbetriebe.
RWE durfte beim kauf eines Niederländischen Unternehmens den Kernkraftwerksanteil nicht übernehmen.
klaus keller hanau
Bürger G.
Gast
@Sonja:" einer Forsa-Umfrage [...] zufolge sagen 81 Prozent der 2.500 befragten Deutschen, die Atomkraft werde im Land noch eine Weile benötigt, um die Energieversorgung sicherzustellen. [...] Bei SPD-Anhängern sind es 79 Prozent und auch bei den Grünen-Wählern ist es mit 62 Prozent eine deutliche Mehrheit"
Sonja
Gast
@Bürger G:
>>>>>...so, jetzt kann endlich verlängert werden und die SPD und die Grünen werden es auch einsehen, dass es nötig ist.....
Lieber nicht aussteigen
Gast
Nach dem Wahldesaster in NRW werden sich die Berliner Schwarz-Gelben hüten, den Ausstieg aus dem Ausstieg weiter zu forcieren, weil sie damit ihren eigenen Ausstieg aus der Regierungsverantwortung riskieren. Frau Merkel wird Gründe finden, das Thema nicht weiter zu verfolgen.
Bürger G.
Gast
Das der Bundesrat, also die Länder, den Laufzeiten zustimmen müssten, war doch reine wahltaktik der Rattenfänger SPD und Grüne im NRW Wahlkampf, die die Wahl zum anti-AKW-Stimmen-phishing benutzen wollten...
...so, jetzt kann endlich verlängert werden und die SPD und die Grünen werden es auch einsehen, dass es nötig ist.....
...immerhin ist eine überwäligende Mehrheit der Deutschen über alle Parteien hinweg für längere Laufzeiten!
vic
Gast
"Atomstrom-Befürworter sehen das anders"
Und; wer will das wissen wie die das sehen?
Schwarzer Ritter
Gast
Das ist doch mal wieder typisch:
Da wird einfach auf Teufel komm raus dies und das versucht,
und alles dran gesetzt irgendwelche Hintertuerchen zu finden,
und wenns am Ende das Bundesverfassungsgericht kippt,
ists auch egal.
Zu meiner Zeit pflegte man zu sagen: NEIN heisst NEIN!