Regionalkonferenz: Der Kampf um Eberts Sattel

Die Bremer SPD besetzt den Landesvorsitz neu und macht dazu eine Mitgliederbefragung. Ist Karin Jöns besser geeignet oder Andreas Bovenschulte? Eine einfache Entscheidung wird das bestimmt nicht.

Jöns oder Bovenschulte: Wer ist der wahre Sozialdemokrat und darf das Erbe von Friedrich Ebert antreten? Bild: dpa

Niedersachsen hat sie gerade hinter sich gebracht, jetzt macht auch die Bremer SPD eine Mitgliederbefragung. Am Dienstag steigt die erste Regionalkonferenz. Wie beim großen Nachbarn gehts auch hier um den Landesvorsitz. Ja, und das wird eine schwere Entscheidung: Es kandidieren der 44-jährige Jurist Andreas Bovenschulte, Erster Gemeinderat der Speckgürtel-Ortschaft Weyhe. Und Karin Jöns.

Die saß zuletzt im Europaparlament, wo die SPD seit jeher GenossInnen mit großer Erfahrung und alten Verdiensten unterbringt, meist bis zum Erreichen der Altersgrenze. Jöns aber, die doch erst 57 ist, hatte Pech: Listenplatz 25 reichte nicht.

Ein heißes Rennen? Ach wenns das denn wäre, ein Zeichen des Aufbruchs - ein selbstbewusstes Signal: Wir sind noch immer wer. Wofür es doch Anlass gäbe. Denn Bremen ist die letzte Bastion sozialdemokratischer Herrlichkeit. Irgendwie gehört das Land der SPD, alle Regierungschefs seit dem Zweiten Weltkrieg hat sie gestellt, altehrwürdig war sie schon zuvor: Der spätere Reichspräsident Friedrich Ebert war Bremer Parteivorsitzender gewesen, elf Jahre lang.

Die Bremer SPD hat kein Frauenproblem. Klar, Wilhelm Kaisen, Willy Dehnkamp, Hans Koschnick, Klaus Wedemeier, Henning Scherf, Jens Böhrnsen - die Senatspräsidenten seit 45 sind Männer. Doch es gab auch Höhepunkte der Gleichberechtigung. Die vollständige Liste der SPD-Bürgermeisterinnen (Stellvertreterinnen):

Annemarie Mevissen, (Amtszeit: 1967-1975)

Klar, in Niedersachsen hat es funktioniert, mit der Mitgliederbefragung. Auch wenn da bei 16 Regionalkonferenzen nur etwas unter 0,5 Prozent der 66.000 Parteimitglieder gekommen waren, es wirkte doch immer, als sei man viele: Das mobilisiert. Es gab auch eine gewisse Spannung, weil Olaf Lies zwar 14 von 16 Wahlgängen für sich entschied, aber dann doch nur knapp 300 Stimmen mehr erhielt, als Stefan Schostok. Doch im Reich der symbolischen Formen hat ein und dasselbe manchmal ganz gegenteilige Bedeutungen: So heißt altus im Lateinischen sowohl hoch als auch tief.

Und Euphorie lösen die Bremer Mitgliederversammlungen nicht aus. Damit der Vorstand sich ans Votum der Urabstimmung um die Nachfolge in Eberts Sattel gebunden fühlt, müssen mindestens zehn Prozent der 4.400 Bremer GenossInnen an den vier Regionalkonferenzen teilnehmen. Auch hatten vorab ein paar Ortsvereine Bedenken angemeldet - in Erinnerung an 2005: Damals gings um die Bürgermeisternachfolge, Jens Böhrnsen holte fast drei Viertel der Stimmen. Sein Kontrahent, der populäre Willi Lemke tut sich bis heute schwer diese Schlappe sportlich zu nehmen, wie seinen jüngst erschienenen Memoiren zu entnehmen ist. Senator blieb er nicht mehr lang.

Damals war die Mitgliederbefragung gut anmoderiert. Diesmal jedoch hatte erst der Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer angekündigt, sich erneut zu bewerben. Sein zehn Jahre jüngerer Vorgänger Carsten Sieling, 51 und mittlerweile ebenfalls Mitglied des Bundestags, hatte ihn dann zum Aufgeben motiviert - indem er mitteilte, gegen den Bremerhavener in jedem Fall anzutreten. Sie einigten sich auf gemeinsamen Rückzug - "um der Partei nicht zu schaden". Und schlugen, vereint, Bovenschulte vor, den Beckmeyer hätte zu seinem Stellvertreter machen wollen. Mit dem Sieling gut kann. Und dann - meldete sich Jöns: Sie könne nicht erkennen, inwiefern eine Wahl zwischen zwei Bewerbern der Partei schade, kündigte sie ihre Kandidatur an. Am Equal Pay Day.

Denn Jöns weiß natürlich: Die Bremer Sozialdemokraten haben ein Frauen-Problem (siehe Kasten). Prompt hat die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Unterstützung signalisiert, die SchwuSos, also der Arbeitskreis sozialdemokratischer Lesben und Schwulen ist auch auf ihrer Seite. Es könnte eng werden für Bovenschulte, der eher als stiller Hintergrundarbeiter charakterisiert wird. Während Jöns Name nicht nur beim grünen Koalitionspartner Entsetzen auslöst.

Parteivorsitzende - das wäre nicht Jöns erstes Ehrenamt: Von 2001 bis 2007 war sie Präsidentin der deutschen Sektion des Anti-Brustkrebsvereins "Europa Donna". Sie erwähnt das noch immer auf ihrer Homepage, obwohl sie die deutsche Sektion dieser Selbsthilfegruppe im Herbst 2008 auflösen musste: Es war bekannt geworden, dass die Pharmaindustrie deren Dachorganisation zu 86 Prozent finanziert hatte. Jöns beteuerte, davon nichts geahnt zu haben. Das sei, auch aufgrund "fragwürdiger Usancen" der deutschen Europa-Donna-Abteilung, höchst unglaubwürdig, teilte ihr da der renommierte Pharma-Kritiker Peter Schönhöfer schriftlich mit, oder aber ein "Ausdruck völliger Inkompetenz". Eine Vorsitzende habe zu "wissen, auf welcher Bühne man auftritt und spielt".

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