Tourismus contra Naturschutz: Öko-Strand muss gammeln

Aus Gründen des Naturschutzes soll der Seetang an manchen Ostseestränden liegen bleiben. Die Gemeinden befürchten, dass die Touristen wegbleiben könnten.

Touristenschreck: Haufen von Seetang und anderem Treibgut liegen vor einer Reihe Strandkörbe. Wenn sie anfangen zu gammeln, wird die keiner mehr mieten wollen. Bild: Foto: dpa

Die Zukunft des Seebades Grömitz ist vom Naturschutz bedroht - so sieht es zumindest der Tourismusdirektor des Ortes, Olaf Dose-Miekley. Stinkende Haufen Seetangs, die am Strand verrotten, könnten Besucher veranlassen nur einmal nach Grömitz zu kommen - und dann nie wieder, befürchtet Dose-Miekley: "Niemand badet gerne im Dreck."

Grömitz lebt wie viele andere Badeorte in Ostholstein von der Natur und vom Tourismus. 2002 ist ein großer Teil der Strände unter den Schutz der Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) der EU gestellt worden. Gemeinden, die Strandkörbe aufstellen und Volleyballfelder anlegen wollen, müssen dafür als Sondernutzung alle paar Jahre eine neue Konzession beantragen. Unter den neuen Voraussetzungen ist das kein Selbstläufer mehr.

Für FFH-Gebiete gelte ein Verschlechterungsverbot, sagt Anja Sierks-Pfaff, die Sprecherin des Landkreises Ostholstein. Je nachdem, ob der Strand eher sandig, kiesig oder geröllig ist, ob er den Naturgewalten mehr oder weniger stark ausgesetzt ist, finden sich hier andere Lebewesen ein. Ihre Behörde will deshalb der Natur - Wind, Wellen und Eis - zumindest in einigen Strandabschnitten ihren Lauf lassen. Und sie will vermeiden, dass flächendeckend Tang und anderes natürliches Treibgut abgeräumt wird.

Das Netz von Schutzgebieten "Natura 2000" soll durch die Flora-Fauna-Habitat- und die Vogelschutz-Richtlinie der Europäischen Union geschaffen werden, um die biologische Vielfalt auf dem Kontinent zu erhalten.

Geschützt werden sollen "prioritäre Arten und Lebensräume", also solche von "besonderem gemeinschaftlichem Interesse".

Plattgemacht werden können solche Gebiete dennoch. Allerdings müssen dafür "zwingende Gründe überwiegenden öffentlichen Interesses" genannt werden.

Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Elbbucht Mühlenberger Loch - ein Rastplatz für Zugvögel, der für die Hamburger Airbus-Fabrik teilweise zugeschüttet wurde.

"Was am Strand angespült wird, ist ein eigener Lebensraumtyp", sagt Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) Schleswig-Holstein. Im Seetang lebten Tangfliegen und Krebse, die wiederum für Wattvögel von besonderer Bedeutung seien. "In der Ostsee gibt es kein großes Watt", sagt der Naturschützer. "Daher leben viele Vogelarten von dem, was im Tang zu finden ist." Vor allem im Herbst und Winter sei dieses Nahrungsreservoir wichtig.

Der Nabu-Mann wundert sich ebenso wie die Sprecherin des Landkreises darüber, dass die Badeorte erst jetzt Alarm schlagen, kurz vor Beginn der Hauptsaison. An der Meldung der FFH-Gebiete an Brüssel seien die Gemeinden beteiligt gewesen. Sie wussten also, was geplant war und hätten genug Zeit gehabt, sich mit dem Kreis und dem Umweltministerium über eine Regelung für die Strände zu verständigen. "Man hätte im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung ermitteln können, wo es Probleme gibt", sagt Ludwichowski.

Aus seiner Sicht dürfte sich leicht ein Kompromiss finden lassen, denn die FFH-Gebiete seien großzügig ausgewiesen worden. "Das heißt, dass man nicht um jeden Meter kämpfen muss", sagt er. Es könne auch mal auf ein paar Metern der Tang weggenommen werden.

Der Kreis Ostholstein hat den Badeorten Grömitz und Neustadt angeboten, dass sie die Hälfte ihrer Strände wie bisher bewirtschaften dürfen und die andere Hälfte sich selbst überlassen bleiben soll. Das entspreche dem Gebot der FFH-Richtlinie, dass der Zustand der Gebiete nicht "erheblich" verschlechtert werden dürfe. "Grömitz müsste keinen seiner Strandkörbe abbauen", sagt Kreissprecherin Sierks-Pfaff. Ludwichowski kommt die 50-50-Regel aus der Luft gegriffen vor. So ein Kompromiss müsse fachlich begründet sein. Entscheidend ist dabei laut der EU-Richtlinie, dass die Erhaltungsziele nicht gefährdet werden, die für jedes FFH-Gebiet definiert sind. Sie können einzelne Arten, aber auch einen Lebensraum als Ganzen meinen.

In den Konflikt zwischen den Bädern und dem Landkreis hat sich das Umweltministerium eingeschaltet. "Wir prüfen aus unserer Sicht die Rechtslage", sagt dessen Sprecher Christian Seyfert. Noch sei unklar, wo die Schwierigkeiten lägen. Es sei eine Lösung zu finden, die dem EU-Recht entspreche, aber auch das Baden ermögliche.

"Wir machen das nicht, um die zu ärgern", versichert auch Kreissprecherin Sierks-Pfaff. "Wir leben vom Tourismus." Der Kreis versuche, im Einvernehmen mit den Kommunen und dem Land eine Lösung finden. Das Management der FFH-Gebiete werde in Schleswig-Holstein "konsequent als Kooperationsprozess und unter aktiver Beteiligung der vor Ort Betroffenen realisiert", heißt es in einer Handreichung des Umweltministeriums.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.