"Revolutionäre Zellen"-Rentner: 22 Jahre Untergrund

Sie versteckten sich jahrzehntelang in Frankreich vor der deutschen Justiz. Jetzt droht Sonja Suder und Christian Gauger die Auslieferung. In der sonntaz sprechen sie erstmals über ihre Zeit im Untergrund.

Der Briefkasten des Pariser Hauses, in dem Sonja Suder und Christian Gauger lebten. Bild: ap

PARIS taz | Zwei in Frankreich lebende und als Terroristen beschuldigte Deutsche haben erstmals über ihre Zeit im Untergrund berichtet. Sonja Suder und Christian Gauger lebten 22 Jahre mit einer falschen Identität im Ausland, bevor sie im Jahr 2000 in Paris verhaftet wurden. "Wenn Du ständig unter einer Legende lebst, kannst Du keine wirklichen Freundschaften aufbauen", sagt Sonja Suder im sonntaz-Gespräch. Vor allem Kontakte zu Deutschen hätten sie vermieden. "Da schaust du ja immer, ob jemand hinter dir her ist. Deutsch spricht."

Die beiden sollen in den Siebzigerjahren Mitglieder der Revolutionären Zellen gewesen sein, die mehrere Anschläge verübten. Suder ist 77, Gauger 68 Jahre alt. Nun kämpfen sie gegen ihre Auslieferung in ihre Heimat.

1997 erlitt Gauger einen Schlaganfall und verlor seine Erinnerung - an die falsche und an die wahre Identität. "Ich hatte einen Herzstillstand. War praktisch tot", sagt er. "Sonja hat mich wiederbelebt." Die erste Zeit ohne Erinnerung sei beklemmend gewesen. "Da kam irgendwann die Furcht: Oh scheiße, was ist wenn ich jetzt blöd bleibe." Danach habe ihm seine Partnerin sein Leben neu erzählen müssen.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wirft dem Paar heute vor, 1977 an Anschlägen gegen Firmen sowie 1978 an einem Anschlag aufs Heidelberger Schloss beteiligt gewesen zu sein. Suder wird zudem Beihilfe zum Mord vorgeworfen: beim Überfall auf die Opec-Konferenz 1975 in Wien, bei dem drei Menschen starben. Dieser Vorwurf stützt sich allein auf Aussagen des Ex-Terroristen Hans-Joachim Klein, der in einem anderen Verfahren als unglaubwürdig eingeschätzt wurde. Suder sagt, der Vorwurf der Beteiligung am Opec-Überfall habe sie überrascht. Nach ihrer Verhaftung kamen die beiden in Untersuchungshaft. Beide berichten, dass sie in der Haft wegen ihres Hintergrunds von anderen Gefangenen besonders unterstützt worden seien. Gegen Kaution wurden sie nach wenigen Monaten auf freien Fuß gesetzt. Deutschland fordert von Frankreich die Auslieferung - bisher vergeblich.

taz-Redakteur Andreas Fanizadeh hat die so genannten "RZ-Rentner" in Paris getroffen. In der sonntaz schildert er das Zusammentreffen, blickt ins Jahr 1978 zurück und spricht mit den beiden über den Tag, an dem sie untertauchten, über Misstrauen, Krach im Knast, Solidarität - und ob sie wieder zurück nach Deutschland möchten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.