Berliner Kochprojekt für Kinder: Essen schmackhaft machen

IImmer mehr Kinder sind übergewichtig, ihre Eltern überfordert. Ein Projekt will den Kindern selbst Spaß an gesundem Kochen vermitteln - ohne Umweg über die Eltern

Hier lernen Kinder, was in den Kochtopf kommt Bild: ap

Leon ist konzentriert. Eifrig krakelt er mit einem Filzstift seinen Namen auf die papierne Kochmütze. Schon einen Moment später thront sie majestätisch auf dem blonden Schopf. Dann bindet er sich eine Schürze um. Mit seinen acht Jahren ist er schon Koch, wenn auch nur für einen Tag.

Leon ist einer von 300 Grundschülern aus Berlin und Brandenburg, die an diesem Mittwoch Kochen lernen. Die Kinderkochschule ist das neueste Projekt des FEZ-Berlin, Europas größten gemeinnützigen Freizeit- und Erholungszentrums für Kinder und Jugendliche. 20 kleine Küchen wurden dort eingerichtet, in denen die Schüler jeweils an einem Vormittag gemeinsam mit Küchenprofis kochen lernen. Fächer wie "Internationale Küche" und "Guten-Morgen-Frühstück" stehen auf dem Stundenplan und vermitteln neben Rezepten und Küchentechniken auch Hygieneregeln.

Die Idee der Kinderkochschule ist einfach: Die Eltern sollen bewusst umgangen, den Kindern selbst Lust auf gesunde Ernährung gemacht werden. Motto: Essen und Kochen kann Spaß machen. Die Veranstalter hoffen auf das Drängeln der Kinder bei ihren Eltern. "Die Kinder sollen als Botschafter positive Erfahrungen aus der Kochschule in ihre Familien tragen", erklärt Bernd Grospitz, stellvertretender Leiter des FEZ. "Kochen klingt so eindimensional, dabei heißt es auch Gesundheit, Ernährung und Kommunikation." Insgesamt werden bis Ende nächster Woche etwa 3.000 Schüler der Klassenstufen zwei bis fünf aus Berlin und Umgebung die Kochschule besuchen. Der Andrang war gewaltig; innerhalb kürzester Zeit waren alle Plätze belegt.

Die Geräuschkulisse in Raum 351 gleicht der auf einem Pausenhof. Leon und 16 andere Kinder diskutieren lebhaft mit Leander Roerdink-Veldboom über das Menü. Er ist Schirmherr der Kinderkochschule, kochte fünf Jahre im Abgeordnetenrestaurant des Bundestags und ist jetzt Küchenchef in einem Berliner Edelhotel. Die Kinder sind sich rasch einig: Pommes, Pizza oder Nudeln soll es geben. Mit ein bisschen Zuspruch des Kochprofis fällt die Wahl schließlich auf selbst gemachte Vollkornnudeln mit Gemüse. Im Gänsemarsch geht es für die kleinen Köche in den vorbereiteten Supermarkt auf den Gang. Nach und nach finden frische Vollmilch, Eier und andere gesunde Zutaten ihren Weg in den Einkaufswagen.

20 Prozent der Kinder haben ein gestörtes Essverhalten. Besonders betroffen sind Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien. Dies ergab eine im Jahr 2007 veröffentlichte Studie des Robert-Koch-Instituts. "Es wird immer weniger in den Familien gekocht, dabei prägt das Ernährungsverhalten der Eltern auch das der Kinder", erklärt die Ärztin Katharina Graffmann-Weschke, die das Projekt Kinderkochschule unterstützt. "Für sie ist es später dann umso schwieriger, gewohnte Muster zu ändern." Obwohl die gesundheitliche Aufklärung immer besser wird, ist Fehl- und Mangelernährung nach wie vor ein großes Problem in Deutschland. "Ein Drittel der Kosten des Gesundheitssystems entsteht aufgrund der Behandlung von Krankheiten, die durch die Ernährung beeinflusst werden", so Graffmann-Weschke.

Im Foyer des FEZ-Berlin wird es zur Mittagszeit laut. Von allen Seiten strömen Kinder heran und tragen gemeinsam mit ihren Köchen die zubereiteten Speisen herein. Sichtbar stolz sind sie, arrangieren die Schalen und Teller sorgsam auf zwei langen Tischen. Der exotische Duft von indonesischer Reispfanne vermischt sich mit dem von süßen Pfannkuchen und gedünstetem Gemüse. Dann stürzen sich 300 kleine hungrige Köche auf die von ihnen zubereiteten Kostbarkeiten. Binnen einer Stunde ist alles weggeputzt. Nur ein Salat ist unberührt geblieben.

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