Jugendämter kritisieren Fehlalarm

KINDESWOHL In Schleswig-Holstein funktioniert das Kontrollsystem für Vorsorgeuntersuchungen nicht

Kinderschützer wundern sich: Wenn man die Familien kennt, warum waren sie dann nicht beim Arzt?

Die Gesundheitsdezernentin des schleswig-holsteinischen Städteverbandes, Marion Marx, kritisiert, dass Behörden junge Familien zu intensiv kontrollierten. Laut Landesgesetz müssen Kommunen die Familien an die Vorsorgeuntersuchungen für ihre Kindern erinnern. Wenn sich Eltern diese nicht vom Arzt bestätigen lassen, besteht nach der dritten Mahnung Verdacht auf Kindeswohlgefährdung – und das Jugendamt kommt zu Besuch.

„Ein Bürokratiemonster“, sagt Marx. Die Hausbesuche beschäftigten Fachkräfte, die sinnvoller eingesetzt werden könnten. Denn oft seien die Familien den Behörden bereits als problematisch bekannt. Dass Jugendämter über das Kontrollsystem auf gefährdete Kinder stoßen, passiere dagegen gar nicht. Dabei war dies das Ziel der 2008 verabschiedeten Regelung.

Im vergangenen Jahr mussten Kieler Behörden rund 700 Mal Familien zu Hause überprüfen, in Neumünster waren es rund 500. Christiane Gresele vom Gesundheitsamt in Kiel sagt, dieses Personal fehle dann an anderer Stelle: bei den sogenannten frühen Hilfen. Seit einigen Jahren werden in Kiel Mütter neugeborener Kinder präventiv besucht. In zwei sozial schwachen Stadtteilen sollen sich Sozialarbeiter dann ein Bild von der Familie machen.

Das Land bezuschusst solche Projekte der Kommunen in diesem Jahr mit 400.000 Euro. Laut Gesundheitsdezernentin Marx ist das zu wenig. Denn die Kommunen müssen sich auch selbst finanziell beteiligen. Diese aufsuchende Arbeit sei allerdings viel effektiver, um gefährdete Kinder aufzuspüren, als das Kontrollsystem, sagt die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes, Irene Johns. Dennoch wundert sie sich über die Beschwerden des Städteverbandes. „Wenn den Behörden die Familien schon bekannt sind, warum haben die Eltern die Voruntersuchungen dann nicht wahrgenommen?“, fragt sie. Sozialarbeiter, die mit Familien arbeiten, müssten stärker dafür sorgen, dass die Kinder zum Arzt gehen, fordert Johns.

Eine andere Möglichkeit wäre es, die Eltern zu verpflichten, sagt Gresele vom Gesundheitsamt: kein Arzt, kein Kindergeld. Der Städteverband steht derzeit in Verhandlungen mit dem Land. Von Gesundheitsministerin Kirstin Alheit (SPD) heißt es, man sei „offen für Vorschläge“.KRISTIANA LUDWIG