Olympische Abfahrt der Frauen: Wettbewerb der Stürze

Die Abfahrt der Frauen Mittwochnacht war geprägt von schweren Stürzen. Der Sieg der Amerikanerin Lindsey Vonns geriet dabei zur Nebensache.

Unsanfte Landung: Die Schwedin Anja Pärson stürzt beim Abfahrt-Rennen. Bild: dpa

WHISTLER taz | Lindsey Vonn schlug entsetzt die Hand vors Gesicht. Die Freude über ihre Bestzeit ist der Amerikanerin kurz vergangenen. Geschockt verfolgte sie, was sich nicht weit entfernt auf der Piste abspielte. Die Schwedin Anja Pärson hob am Zielsprung der Olympia-Abfahrt am Mittwoch ab, verlor die Kontrolle über Ski und Körper und flog fast 60 Meter durch die Luft.

Schließlich landete die Mitfavoritin auf Gold ziemlich unsanft auf der Piste und rutschte ins Ziel. Die Bilder vom grausamen Sturz von Daniel Albrecht vor einem Jahr beim Zielsprung in Kitzbühel kamen wieder hoch. Der Schweizer hatte sich dabei ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zugezogen und lag gut zwei Wochen im künstlichen Koma.

Dass Pärson kurz danach schon wieder stand, und, gestützt von zwei Helfern, aus dem Zielraum gehen konnte, grenzte deshalb an ein kleines Wunder. Zuvor waren Dominique Gisin aus der Schweiz und die Italienerin Daniela Merighetti gestürzt. Die drei gehören zu den besten Skirennläuferinnen, Sprünge sind eigentlich kein großes Problem für sich.

Aber der "Hot Air" auf dem "Franz' Run" in Whistler hat es in sich. Schon nach dem Training am Montag hatte der deutsche Cheftrainer Mathias Berthold Probleme prophezeit: "Der Sprung ist zu mächtig." Er war deshalb abgetragen worden. Aber die Bedingungen änderten sich, es wurde kalt, die Piste war eisig und deshalb das Tempo der Läuferinnen höher.

Dazu kam, dass die Abfahrt mit einer Laufzeit von über 1:40 Minuten außergewöhnlich lang war. "Jeder war müde, als er hinkam", gab Olympiasiegerin Lindsey Vonn zu. Manche verschätzten sich zudem und gerieten in Schwierigkeiten. "Wenn man sich nicht mitbewegt" sagt Gina Stechert aus Oberstdorf, "ist jeder Sprung gefährlich. Egal, wie weit er geht oder nicht."

Dennoch zog Atle Skaardal, Renndirektor des Internationalen Skiverbandes Fis, Konsequenzen aus den Stürzen. Er ließ den Sprung vor der Kombiabfahrt noch einmal abtragen und verlegte den Start ein Stück nach unten. Maria Riesch absolvierte den Sprung bei der Spezialabfahrt ebenso perfekt wie Lindsey Vonn, eigentlich gelang ihr der untere Abschnitt sogar noch besser als der Amerikanerin, die vor ihrer Landsfrau Julia Mancuso und der Österreicherin Elisabeth Görgl gewann.

Maria Riesch war dort die Schnellste. Aber oben eben nicht, das war sie weit entfernt von der Bestzeit, und deshalb reichte es nur zu Platz acht in jener Disziplin, in der sie in dieser Weltcup-Saison bisher die konstanteste Leistung zeigte.

Es gibt ein paar Erklärungen für die verhaltene Fahrweise. Maria Riesch bekam die Rennunterbrechungen mit, zuletzt gab es unmittelbar vor ihrem Start eine Verzögerung. Der Standardspruch der Betreuer sei dann immer, dass eine Torstange wieder fixiert werden müsse, erzählt die 25 Jahre alte Partenkirchnerin. "Aber da weiß man schon, was los ist."

Schließlich beobachtete sie, wie die Französin Marion Rolland, die sich nach nur ein paar Fahrsekunden mit dem Skistock behinderte, in den Schnee kippte und sich dabei verletzte hatte, mit dem Skidoo wieder an den Start befördert und 20 Meter neben der Startrampe behandelt wurde. "Es sind sicher ein paar Sachen zusammen gekommen, aber alles nur auf äußere Umstände zu schieben, wäre zu einfach", sagt sie dennoch. "Ich bin einfach nicht gut gefahren." Aber wenigstens heil unten angekommen.

Die Schweizerin Nadja Kamer gab zu, überfordert gewesen zu sein. Sie war nicht die einzige, die diesen Eindruck vermittelte. Später stürzte noch die Rumänen Edith Miklos schwer, sie wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus transportiert. Allerdings herrsche Einigkeit sowohl bei den Läuferinnen als auch bei den Trainern, dass die Piste nicht zu schwer ist.

Sie präsentierte sich nur in einem anderen Zustand als bei der Generalprobe vor zwei Jahren. "Damals war es ein Traum, hier zu fahren", sagte Maria Riesch. Damals war es glatt gewesen. Jetzt hat die einsetzende Kälte die von Regen und Plustemperaturen aufgeweichte Piste in einen harten, ruppigen Kurs verwandelt.

Für das Wetter können die Verantwortlichen nichts, aber dafür, dass sie sich mit einem Trainingslauf zufrieden gegeben haben, und der war zudem zweigeteilt, wegen der gleichzeitig stattfindenden Herren-Abfahrt nebenan. Zuerst wurde nur auf dem oberen Stück gefahren, später auf dem unteren. Es sei schon eine besondere Herausforderung, gibt Skaardal, zu, "wenn die Läuferinnen keinen kompletten Trainingslauf von oben bis unten haben".

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