STRAFRECHT: Polizisten suchen Schutz

Den Tatbestand "tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" wollen Bremer Polizei-Gewerkschaft und CDU im Gesetz verankern. Juristen kritisieren den Vorstoß

Mitunter vermissen Bremens Polizisten den nötigen Respekt Bild: Polizei HB

Ein verschärftes Strafrecht bei Gewalt gegen PolizistInnen fordert der Bremer Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Unterstützt wird er jetzt von der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die hat den Landtag aufgefordert, sich auf Bundesebene für das GDP-Anliegen stark zu machen.

"Wir wollen, dass ein Zeichen gesetzt wird", sagt GDP-Landeschef Horst Göbel. Zeichen sein soll ein neuer Paragraf 115 im Strafgesetzbuch samt neuem Tatbestand. "Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte" soll der heißen. Der bestehende Paragraf 113 "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" knüpfe Widerstandshandlungen an Vollzugssituationen. "Angriffe aus dem Nichts" würden nicht erfasst, so Göbel.

Und eben die würden sich häufen, sagt er. Bisheriger Höhepunkt sei 2008 der Versuch von vier Jugendlichen gewesen, ein mit zwei Beamten besetztes Polizeiauto im Bremer Westen anzuzünden. Zuvor hatten sie die Streife mit einem vorgetäuschten Notruf in einen Park gelockt. "Wir brauchen ein Signal in Richtung der Täter", sagt Göbel, "die Gesellschaft darf es nicht hinnehmen, wenn Polizisten angegriffen werden". Schließlich seien sie "im Auftrag von Staat und Gesellschaft unterwegs".

Deshalb sollen nach Paragraf 115 nicht nur Angriffe auf Polizisten während der Ausübung des Dienstes geahndet werden können. Auch Angriffe "in Beziehung auf den Dienst" sollen darunter fallen. Das fordert die Gewerkschaft mittlerweile bundesweit. Rückendeckung bekommt sie dabei vor allem in unionsregierten Ländern.

Bremens polizeiliche Kriminalstatistik für 2008 führt 493 Fälle von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auf. Im Jahr zuvor waren es 416 gewesen. Wie oft PolizistInnen Opfer von Übergriffen wurden, lässt sich daraus allerdings nicht ablesen: Die Statistik erfasst auch Übergriffe auf Justizvollzugsbeamte. Göbel geht davon aus, dass sich vor allem die "Qualität" des Widerstandes verändert habe. Er beobachte einen zunehmenden "Autoritätsverlust". Der Respekt fehle nicht nur gegenüber der Polizei. "Die Anerkennung, dass jemand etwas zu sagen hat, geht zurück", sagt er.

Eine "Verrohung der Umgangsformen" beobachtet auch Ulrich Hoffmann, Richter am Amtsgericht. Er wolle "nicht verharmlosen", sagt er. Aber: "Ich sehe kein erhöhtes Schutzbedürfnis von Polizisten gegenüber anderen Verletzten." Die bestehenden Regelungen zu Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte reichten aus.

Der geforderte Paragraf wäre eine "nicht gerechtfertigte und nicht notwendige Privilegierung von Polizeibeamten". Dass danach auch Angriffe in Beziehung auf den Polizeidienst geahndet werden sollen, hält er für "handwerklich unsauber". "Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, was darunter alles fallen kann", sagt Hoffmann. Etwa ein Streit mit einem Polizisten aus der Nachbarschaft, über dessen Auftreten man sich geärgert hat.

"Das wäre eine Sonderregel für Polizisten" warnt auch der Rechtswissenschaftler Johannes Feest vor der geforderten neuen Norm. Die Unterschiede zum bestehenden Strafrecht seien gering - abgesehen von einer Vorverlagerung der Strafbarkeit. Auch "schwache Tathandlungen unterhalb der Beleidigung und der Körperverletzung" könnten nach 115 geahndet werden, sagt Feest. "Ich bin nicht sicher, ob das schon strafbar sein sollte". In erster Linie würde der neue Paragraf ein "symbolisches Zeichen" setzen. "Das ist aber nicht die Funktion unseres Strafrechts", sagt er.

Ähnlich sehen auch die Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen die Forderungen von GDP und CDU. Von einer "Symboldebatte" spricht Grünen-Innenpolitiker Björn Fecker. "Nicht hart an der Sache" sei der Antrag der CDU, sagt SPD-Innenpolitiker Thomas Ehmke. Ihr ginge es nur darum, einem "bestimmten Publikum zu gefallen".

Ehmke und Fecker verweisen auf eine Studie über Gewalt gegen Polizisten, die das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KfN) derzeit im Auftrag der Innenministerkonferenz durchführt. Deren Ergebnisse wolle man abwarten. Im Innenressort lehnt man eine Änderung des Strafrechts nicht grundsätzlich ab. Doch auch dort setzt man auf die KfN-Studie: "Wir brauchen erst einen Überblick, welche Straftaten gegen Polizisten tatsächlich vorliegen", sagt Sprecher Rainer Gausepohl.

Amtsrichter Hoffmann spricht indes von einem "vermehrten Anzeigeverhalten bei Beleidigungen". Das beobachte er vor allem bei jüngeren PolizistInnen. "Daran stört besonders, dass häufig zugleich ein Entschädigungsantrag gestellt wird", sagt er. Das erschwere die richterliche Praxis: Die Gerichte müssten sich darauf verlassen können, dass "Polizeibeamte neutrale und lautere Zeugen" sind. Häufig seien sie in einem Verfahren die einzigen nicht unmittelbar beteiligten Zeugen. Stehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld im Raum, "müssten wir sie als parteiisch ansehen - so wie alle Geschädigten, die als Zeugen auftreten", sagt Hoffmann.

"Damit müssen die Gerichte umgehen können", hält GDP-Mann Göbel dem entgegen. "Polizisten", sagt er, "haben dasselbe Recht auf Schmerzensgeld wie jeder andere, der Opfer wird". Auch Opfer von Polizeigewalt seien "durch unzählige Paragraphen" geschützt. "Ins Hintertreffen kommen die Bürger durch ein verschärftes Strafrecht bei Gewalt gegen Polizisten nicht", glaubt er.

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