Wegen Verhöhnung der Opfer: Facebook sperrt Gefangenen-Seiten

Das beliebte soziale Netzwerk Facebook hat 30 Seiten von britischen Gefangenen gesperrt, weil sie auf der Internet-Plattform ihre Opfer und deren Angehörige verhöhnt haben.

Facebook hat Seiten von britischen Gefangenen gesperrt - Kenny & Co dürfen aber bleiben. : screenshot facebook

Facebook hat 30 Seiten von britischen Gefangenen gesperrt, weil sie auf der Internet-Plattform ihre Opfer und deren Angehörige verhöhnt haben. Nachdem man Facebook auf die entsprechenden Seiten hingewiesen habe, seien sie innerhalb von 48 Stunden abgeschaltet worden, sagte der britische Justizminister Jack Straw vorgestern in London. Er bezeichnete die indizierten Seiten als "fürchterlich, zutiefst verstörend und eine schwere Beleidigung für die öffentliche Moral".

Straw hatte sich zuvor mit den Eltern des Teenagers Jimmy Mizen getroffen, der im Mai 2008 in einer Bäckerei im Südosten Londons ermordet worden ist. Sein Vater Barry Mizen sagte: "Ich weiß, dass Facebook eine riesige Organisation ist und dort eine Menge Geld herumschwirrt. Wenn ein bisschen mehr Geld für die Überwachung nötig ist, muss es eben ausgegeben werden."

Richard Allen, Facebooks Europa-Direktor, sagte: "Wenn bestimmtes Material Belästigungen oder Leid verursacht oder illegal ist, löschen wir die Seite. Das ist unsere Politik." Straw versicherte, er sei mit der Zusammenarbeit mit Facebook sehr zufrieden und bemühe sich um eine langfristige Lösung für "diese moderne Version des alten Problems der Einschüchterung der Opfer". Die Leute von Facebook haben keine anderen Moralvorstellungen als er, sagte Straw: "Aber sie müssen Hunderttausende ihrer Seiten überwachen. Deshalb müssen wir gemeinsam mit Facebook ein besseres System entwickeln. Wenn wir ihnen mitteilen, dass eine bestimmte Seite unangemessen ist, sollen sie das nicht erst untersuchen, sondern gleich auf den Löschknopf drücken."

Gefangene dürfen nicht frei im Internet surfen, sondern lediglich unter Aufsicht und zu Lernzwecken. Straw erwägt, auch Freigängern und Gefangenen, die auf Bewährung entlassen werden, explizit zu untersagen, derartige Webseiten zu benutzen. Doch in vielen Fällen werden die Facebook-Seiten von den Zellen aus aktualisiert. Domenyk Noonan aus Manchester zum Beispiel benutzte ein hereingeschmuggeltes internetfähiges Handy, um seine Facebook-Seite mit Fotos und Kommentaren zu bestücken. Der Unterweltboss Colin Gunn aus Nottingham, der einsitzt, weil er einen Doppelmord in Auftrag gegeben hat, schrieb auf seiner Seite, er könne es kaum erwarten, die Angst in den Augen der Leute zu sehen, wenn er nach Hause zurückkehre.

Und der 20-jährige Jade Braithwaite, der den 16-jährigen Ben Kinsella getötet hat, ließ seine Freunde via Facebook aus dem Knast wissen, dass es ihm gut gehe. Er wünschte sich aber eine Fernbedienung, mit der er Leute "stummschalten und auslöschen" könne, wenn das nötig sei, verkündete er. George Kinsella, der Vater von Braithwaites Opfer, sagte: "Bens jüngere Schwestern sind regelmäßig auf Facebook-Seiten, und sie fanden die Kommentare sehr verstörend."

Kinsella und andere Eltern von Opfern von Gewaltverbrechen haben auf der Regierungswebseite eine Petition hinterlegt, die bisher von rund 750 Menschen unterschrieben worden ist. Straw kündigte an, den Besitz eines Handys im Gefängnis zum Straftatbestand zu machen. Außerdem versprach er verstärkte Kontrollen, damit keine Mobiltelefone mehr ins Gefängnis geschmuggelt werden können. "Ich fürchte, wir haben es mit Gaunern zu tun", sagte er, "mit verschlagenen, manipulativen Menschen, die keinen Respekt vor ihrem eigenen Körper haben und sich Handys in ihre Körperöffnungen stopfen."

Im Jahr 2008 fanden Gefängniswärter fast 4.000 illegale Handys bei Gefangenen. Besucher müssen seitdem auf Stühlen mit eingebauten Scannern Platz nehmen. In einigen Gefängnissen wird zur Zeit getestet, ob man das Handy-Signal blockieren kann, ohne die Nachbarschaft in Mitleidenschaft zu ziehen.

David Wilson, Professor of Kriminalistik an der Universität Birmingham, sagte, man solle das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten. "Wir erhalten eine Menge Informationen über Verbrechen durch die Überwachung der Telefone von Gefangenen", sagte er. "Das ist ein erheblicher Vorteil." Außerdem gebe es soziale und erzieherische Gründe, den Gefangenen Kontakt mit der Außenwelt zu gestatten.

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