Tarifkonflikt: Stillstand im Norden

Norddeutschland ist besonders von den Warnstreiks im öffentlichen Dienst betroffen. Auch Stadtreinigungen und Winterdienste legen Arbeit nieder. In Hannover gehen 15.000 Beschäftigte auf die Straße.

Bei diesem Paar steht nichts still: Das Standesamt in Kiel traute gestern trotz der Warnstreiks. Bild: dpa

Auch das noch. Sorgen vereiste Straßen und Gehwege schon seit Wochen für erheblich erschwertes Vorankommen, haben am Montagmorgen vielerorts auch die Winterdienste gestreikt - so wie der restliche öffentliche Dienst. Die Teilnahme am Streik war den Räumern und Streuern allerdings von den Gewerkschaften freigestellt worden.

Mit Blick auf die dritte Tarifverhandlungsrunde, die am Mittwoch beginnt, soll es am heutigen Dienstag keine weiteren Streiks geben, gestern hingegen war davon allem der deutsche Norden betroffen: Der Nahverkehr stand still, Kindertagesstätten blieben zu, der Müll wurde nicht abgeholt. Auch in Krankenhäusern, Stadtwerken und verwaltungen, Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, bei Landkreisen oder auch Sparkassen streikten die Beschäftigten - nicht zu vergessen der Winterdienst. Immerhin: "Keiner musste heute mehr rutschen als an anderen Tagen", beruhigt Jörg-Dieter Bischke-Pergande, Ver.di-Sprecher in Hamburg.

Hier wurden schwerpunktmäßig Stadtreinigung und Kitas bestreikt. Bis zu vier Stunden lang legten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihre Arbeit nieder. Zu einer Kundgebung am Sitz der Arbeitgeberseite kamen laut Ver.di rund 800 Teilnehmer. Bereits am Sonntag hatten die Bühnenarbeiter im Deutschen Schauspielhaus kurzfristig gestreikt und damit den Beginn des Stückes "Das Käthchen von Heilbronn" um rund eine Dreiviertelstunde verzögert.

In Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern waren weite Bereiche des öffentlichen Lebens von den Arbeitsniederlegungen betroffen. In Flensburg zogen bei einer Demonstration knapp 1.300 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch die Stadt, wie die zuständige Ver.di-Sprecherin Ute Dirks erklärte. In Kiel waren es nach Gewerkschaftsangaben rund 1.500 Streikende, in Lübeck knapp 600. Vor den Stadtverwaltungen in Schwerin und Rostock versammelten sich frühmorgens insgesamt rund 500 Arbeitskämpfer.

Auch in Hannover wurde gestreikt. In und um die niedersächsische Hauptstadt legten am frühen Montagmorgen die rund 1.000 Beschäftigten der Üstra-Verkehrsbetriebe ihre Arbeit nieder - Busse, U- und Straßenbahnen blieben ab halb vier Uhr am Morgen für 24 Stunden in den Depots. Als Folge staute sich der Verkehr auf den Hauptverkehrsstraßen und kam stadteinwärts teilweise zum Erliegen.

Mit den bundesweiten Warnstreiks im öffentlichen Dienst reagiert die Gewerkschaft Ver.di auf die aus ihrer Sicht zäh verlaufenen Tarifverhandlungen

Gefordert werden fünf Prozent mehr Einkommen für die bundesweit rund zwei Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, zudem eine 24-monatige Übernahme von Auszubildenden sowie eine Verlängerung der Altersteilzeitregelungen.

Die Arbeitgeber lehnen die Forderungen der Gegenseite bisher ab - und verweisen auf leere öffentliche Kassen.

Die dritte Verhandlungsrunde läuft am 10. und 11. Februar in Potsdam, die ersten beiden verliefen ohne Annäherung.

"Chaos gab es allerdings nicht", sagte die Sprecherin des Ver.di-Landesbezirks Niedersachsen-Bremen, Sonja Schoustal-Hoppe. Die Bürger hätten sich auf die Streiks eingestellt und viel Verständnis gezeigt. Überhaupt sind nach Angaben der Gewerkschaft nur wenige Beschwerden bei den Landesbezirken Niedersachen-Bremen und Nord - zuständig für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern - eingegangen.

Mehr als 15.000 Beschäftigte aus ganz Niedersachsen nahmen am Mittag in Hannover an einer Großkundgebung teil. Unter dem Motto "Krise bekämpfen - Kaufkraft stärken" hatten dazu die Gewerkschaften - neben Ver.di auch die DBB-Tarifunion, Gewerkschaft der Polizei sowie die Lehrervertretung GEW - aufgerufen. "Die Arbeitgeber können sich eine Nullrunde abschminken", sagte der Ver.di-Bundesvorsitzende, Frank Bsirske, auf der Kundgebung. "Wir wollen eine Lohnerhöhung mit sozialer Komponente und die Binnenkonjunktur stärken."

Auch die Mitarbeiter des Klinikums Hannover streikten, in den betroffenen Krankenhäusern mussten Operationen verschoben werden. Die Versorgung der Bevölkerung sei aber in Notfällen gesichert gewesen, erklärte Ver.di.

Zu Ausständen kam es aber auch in anderen Teilen des Landes: In Braunschweig, Wolfsburg und Göttingen blieben Busse und Bahnen ebenfalls in den Depots. Der Präsident der Region Hannover, Hauke Jagau (SPD), kritisierte die Streiks im öffentlichen Nahverkehr: "Die Verantwortlichen müssen sich auf ihre Verantwortung besinnen. Es kann nicht sein, dass man die Kinder und Jugendlichen auf ihrem Weg bei dieser Witterung einer besonderen Gefahr aussetzt."

Bereits am Mittwoch der vergangenen Woche hatten mehr als 1.600 Pflegekräfte in kommunalen Kliniken in Niedersachsen und Bremen vorübergehend ihre Arbeit niedergelegt.

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