Stimmen zur Afghanistan-Konferenz: Beschlüsse sind keine Ausstiegsstragie

Neben Westerwelle bewerten auch die SPD, die USA und Russland die Afghanistan-Konferenz in London positiv. Die Bundesbürger hingegen glauben nicht an den Erfolg.

Perspektive für ein Ende des Einsatzes: Die Londoner Afghanistan-Konferenz. Bild: dpa

LONDON/MOSKAU/BERLIN/HAMBURG dpa/afp | Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat die Ergebnisse der internationalen Afghanistan-Konferenz gegen Kritik verteidigt. Es gebe keine Garantie, dass der von der Staatengemeinschaft in London beschlossene Strategiewechsel für Afghanistan erfolgreich sei, sagte er am Donnerstagabend in den ARD-Tagesthemen. Aber "den alten Weg weiterzugehen, dass wäre garantiert erfolglos gewesen".

Mit dem Vorhaben, Taliban-Kämpfer mittels materieller Anreize zum Ausstieg zu bewegen, werde man zwar "nicht an den harten Kern herankommen"; auch gebe es noch "im Detail eine Menge Arbeit zu leisten". Aber man fange nicht bei Null an, sagte Westerwelle weiter. So berichteten die UN bereits von ersten Erfolgen in Gesprächen mit ausstiegswilligen Taliban.

Nach Ansicht Westerwelles gibt es für die deutschen Soldaten in Afghanistan jetzt eine klare Perspektive. Im Jahr 2014 könne die "vollständige Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung" gelungen sein. Berlin will aber zunächst das deutsche Kontingent von derzeit 4500 um 850 Soldaten aufstocken. Die USA schicken im Kampf gegen die Taliban und das Terrornetzwerk El Kaida dagegen 30.000 zusätzliche Soldaten.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter-Steinmeier sieht nach der Londoner Afghanistan-Konferenz erstmals eine klare Perspektive für ein Ende des Einsatzes. "Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich in ihrem Mandat zu dieser Abzugsperspektive zu bekennen, die Mittel für den zivilen Aufbau zu verdoppeln und die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte zu intensivieren", sagte der frühere Außenminister am Freitag in Berlin.

Er betonte, auch die SPD sei dafür, die Sicherheitsverantwortung zwischen 2013 und 2015 an das afghanische Militär und die afghanische Polizei abgeben. "Es ist richtig, dass die Londoner Konferenz diesen Anspruch ernst nimmt und bereit ist, die notwendigen Schritte dahin zu unterstützen." Man müsse gemeinsam mit den Amerikanern 2011 mit dem Rückzug beginnen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel lässt trotz des von der Regierung für 2011 angekündigten Beginns des Truppenabzugs die Zustimmung zum neuen deutschen Afghanistan-Mandat offen. "Ich sehe bisher keine Notwendigkeit für 850 zusätzliche deutsche Soldaten", sagte Gabriel der Rheinischen Post.

"Die Bundesregierung muss nachweisen, dass Deutschland zwingend für eine begrenzte Zeit mehr Soldaten für die Ausbildung bereitstellen muss", sagte Gabriel. Er äußerte die Erwartung, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die SPD zukommen werde. Spätestens 2015 dürften deutsche Soldaten nicht mehr an bewaffneten Kämpfen beteiligt sein, betonte der SPD-Vorsitzende.

US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, dass es sich bei den Beschlüssen von London um keine "Ausstiegsstrategie" handele. Es gehe darum, den Afghanen zur Seite zu stehen.

Russland hat die Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz als "neuen Schritt zur Bildung eines friedlichen und unabhängigen afghanischen Staates" begrüßt. "Die Konferenz ist eine wichtige Etappe in den internationalen Bemühungen, ein neutrales und wirtschaftlich standfestes Afghanistan aufzubauen, das frei ist von Terrorismus und Drogenkriminalität", hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Außenministeriums in Moskau. Das meldete die Agentur Interfax.

Für Russland hatte Außenminister Sergej Lawrow an der Konferenz am Donnerstag teilgenommen. Wegen des verlustreichen Kriegs der Sowjetunion in Afghanistan vor mehr als 20 Jahren engagiert sich Moskau dort nicht militärisch.

Eine überragende Mehrheit der deutschen Wähler zweifelt an einem Erfolg des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan. Drei von vier Befragten des ZDF-Politbarometers (76 Prozent) glauben nicht, dass die Ziele der Mission erreicht werden. Das geht aus einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen hervor.

Demnach stoßen auch die Pläne der Bundesregierung auf Widerstand, die Bundeswehrtruppe am Hindukusch aufzustocken: Knapp zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) sind dagegen. Nicht einmal jeder Dritte (29 Prozent) findet diesen Schritt richtig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.