Biobranche in Berlin und Brandenburg: Regional wäre erste Wahl

Biobauern gibt es viele in Brandenburg, kaufwillige Kunden in Berlin auch. Dazwischen klafft eine Lücke: Es fehlt an Verarbeitungsbetrieben - zum Beispiel für Fleisch.

So sieht es in der Halle "Erlebnis Bauernhof" aus Bild: dpa

Biosupermärkte unterscheiden sich vom Sortiment her kaum noch von herkömmlichen Geschäften. Von Tiefkühlpizza bis Dosentomaten, Schokolade und Aufbackbrötchen ist alles zu haben. Ein Blick aufs Kleingedruckte aber zeigt: Das Wenigste kommt dabei aus Brandenburg. Zwischen Erzeuger und Endprodukt klaffe in der Region weiterhin eine Lücke, bestätigt der Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL), Michael Wimmer. "Es tut sich etwas, aber nicht in der Geschwindigkeit, in der wir es bräuchten."

Nachholbedarf gibt es vor allem bei komplexeren Produkten aus dem Tiefkühlbereich, bei Süßwaren, Konserven und im Fleischbereich. Wilhelm Schäkel von der Bioranch Zempow etwa würde gern mehr Fleisch seiner Angusrinder in Berlin anbieten. Er ist Mitglied in einer Erzeugergemeinschaft, über die sein Fleisch vor allem in Niedersachsen und weiter westlich verkauft wird; zudem verkauft er ab Hof und beliefert Fleischer in der nahen Umgebung. "Uns geht es nicht schlecht, aber es könnten auch fünfmal so viele Leute unser Fleisch verarbeiten", sagt der Landwirt aus der Rheinsberger Gegend. Mit der Mitgliedschaft in der Erzeugergemeinschaft hat er einen wirtschaftlich tragbaren Kompromiss gefunden. Lieber aber wäre ihm, "wenn wir als Region klar erkennbar wären".

Der Anteil regionaler Bioware beim Fachhandel in der Hauptstadtregion liegt laut Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau (FÖL) bei rund 15 Prozent. Der Umsatz wird auf über 100 Millionen Euro geschätzt.

Die Zahl der Bioverarbeiter sei um 22 Prozent auf 199 gestiegen. Dennoch bestehe weiter Mangel an Verarbeitungsbetrieben.

Dass Berlin als Markt für seine Fleisch- und Wurstwaren weitgehend unerschlossen geblieben ist, liegt nach Ansicht Schäkels nicht unbedingt an der Förderpolitik des Landes. Verbraucher trügen mit ihrem unkritischen Verhalten dazu bei, dass der Biofleischmarkt von wenigen überregionalen Verarbeitern beherrscht werde. "Der Berliner Kunde ist, was Frische und Qualität angeht, eher robust veranlagt." Oft frage er nicht nach, wo die Waren tatsächlich herkämen oder wie groß der regionale Anteil sei - um dann zum Fleisch überregionaler Anbieter zu greifen, die wegen der großen Mengen preisgünstiger anbieten könnten. Überhaupt sei Berlin als Absatzort für ihn schwierig, so Schäkel. "Angusrinder haben eine besondere Qualität, und das Preisniveau in Berlin ist eher moderat."

Wimmer von der FÖL will die Schuld nicht den Verbrauchern zuschieben. Er sieht die Ursachen für den wenig genutzten Verarbeitungsmarkt eher in der Wirtschaftsgeschichte des Landes: In Brandenburg finde sich nicht die mittelständische Familienbetriebsstruktur wie etwa in Bayern. Das sei schon vor Gründung der DDR so gewesen. "Die Tradition fehlt hier", so Wimmer.

Viele Betriebe, die nun im Biobereich erfolgreich sind, hätten vor einem Vierteljahrzehnt im Kleinen angefangen. "Die haben einen Vorsprung vor allen, die heute anfangen." Firmen wie Rapunzel böten eine Produktpalette an, bei der regionale Firmen "bleich werden im Gesicht". Erschwerend komme hinzu, dass nach der Wende die bestehenden Strukturen verloren gingen. Gerade der Obstbau sei davon betroffen, sagt Wimmer.

Was also tun? "Mit dem, was wir haben, das Beste daraus machen", antwortet Wimmer. Gebraucht würden Köpfe, Kapital, Partner und die passenden Rahmenbedingungen - der Verbandschef fordert die Landesregierung auf, Förderprogramme für verarbeitende Biobetriebe aufzustocken. "Gerade etwa beim Beerenobst hängen ja auch richtig Arbeitsplätze dran." Außerdem könnten so Investoren nach Brandenburg gelockt werden. In der Obstverarbeitung sieht er denn auch "schöne Entwicklungen". So baue der Anbieter Werder Frucht sein Biosortiment kontinuierlich aus.

Auch bei der Milchverarbeitung hätten regionale Unternehmer aufgeholt, erklärte Wimmer. Nach der Gläsernen Molkerei in Münchehofe soll im Februar die Molkerei in Lobetal eröffnen; im Ökodorf Brodowin ist eine neue Molkerei geplant - und das in Zeiten, in denen die konventionelle Milchwirtschaft vor Konzentrationsprozessen steht. In Münchehofe ist Platz für 35.000 Käselaibe, in Lobetal liegt der Schwerpunkt auf der Joghurtproduktion.

Doch auch hier reichen die Kapazitäten nicht aus. Der Landwirt Johannes Niedeggen vom Gut Kerkow beispielsweise hat seine Produktion im vergangenen Jahr auf Bio umgestellt. Die Milch seiner 50 Kühe geht aber weiterhin an eine konventionelle Molkerei - weil die Biobetriebe in der Umgebung keine Milch mehr annähmen. "Dass das so schwierig wird, hätte ich nicht gedacht", sagt Niedeggen. Einen Teil der Milch verarbeitet er selbst auf dem Hof nahe Angermünde - er stellt Bergkäse her und verkauft ihn vor Ort. Auch Niedeggen besitzt Angusrinder, bis die Umstellung auf Bio abgeschlossen ist, dauert es aber noch eineinhalb Jahre. Er hofft, sein Biofleisch dann in der Region verarbeiten lassen zu können und in Berliner Läden zu verkaufen.

Potenzial sieht FÖL-Chef Wimmer dafür nach wie vor. "Berlin ist ein riesiger Markt", sagt er. "Es gibt keinen Grund, warum alles das, was ein Verbraucher im Biosupermarkt erwartet, nicht aus regionaler Produktion stammen sollte." Die Biobauern in der Region würden das wohl sofort unterschreiben. Unternehmer wie Schäkel von der Bioranch wünschen sich, dass Kunden aus der Hauptstadt mehr als bisher für Waren aus ihrer Umgebung sensibilisiert werden. "Mehr Aufklärung, mehr Transparenz und mehr Bildungsarbeit, zum Beispiel, indem Schulklassen Ausflüge zu uns machen", sagt Schäkel. Perfekt wäre seiner Ansicht nach, wenn die Landesregierung den Aufbau hauseigener Labels unterstützen würde: Damit nicht nur Bio drauf steht, wo es drin ist - sondern auch der kurze Weg belegt ist, den die Ware ins Regal hatte.

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