Handball: "Ein riesengroßes Lernen"

Die Handball-Damen des SVG Celle erleben gerade ihre erste Saison in der Bundesliga. Das Team ist sportlich schneller gewachsen als die Struktur des Vereins. Trotzdem setzen die Celler vor allem auf Kontinuität.

In Celle steht der Kollektiv-Gedanke im Vordergrund - und Trainer Martin Kahle in der Mitte. Bild: Torsten Volkmer

Es braucht ein wenig Phantasie. Da ist dieser kleine Raum im Eingangsbereich, in dem willkürlich eine Massageliege und ein weißer Schrank stehen, ein Raum, der seine besten Zeiten hinter sich hat und unzählige leere, mit Staub überwobene Getränkeflaschen zu verschlingen scheint. Den ganz großen Sport, der nur wenige Meter weiter in der Turnhalle des Hermann-Billung-Gymnasiums in Celle wartet, vermutet man hier nicht - eher ein ordentliches Durcheinander.

Wer aber genau hinsieht, entdeckt an der grauen Wand Mannschaftsaufstellungen, taktische Anweisungen, Spielzüge, aufgezeichnet auf farbigen Kartons. Weil die Spielerinnen des SVG Celle im letzten Frühjahr schneller trafen, als sich der Verein strukturell entwickeln konnte, brauchen sie nach dem sportlichen Aufstieg in die Handball-Bundesliga der Frauen für den Rest nach wie vor Zeit. Und Phantasie.

Die hat vor allem einer. "In den nächsten Wochen", sagt Geschäftsführer Joachim Niederlüke, 63, der symbolisch inmitten des kleinen Chaos zum Gespräch gebeten hat, "soll hier ein moderner Konferenzraum entstehen, in dem sich Mannschaft und Trainer dann noch intensiver, professioneller auf die Spiele vorbereiten können." Fünfeinhalb Stunden vor dem Heimspiel gegen den Meister aus Leipzig hat er sich Zeit genommen. "Danach", erklärt er, "wird es zu knapp. Es gibt immer noch was zu tun, Kleinigkeiten."

Er will immer ansprechbar sein, nichts dem Zufall überlassen. "Durch den Aufstieg ist eine ganze Menge auf uns eingeprasselt", sagt Niederlüke, "es ist noch immer wie ein riesengroßes Lernen." Sportlich, das weiß er, kann alles sehr schnell gehen. Alles andere braucht Zeit. "Wir wollen uns kontinuierlich weiterentwickeln, Schritt für Schritt", sagt Niederlüke. "Es muss eine gesunde Struktur wachsen, damit das Abenteuer Bundesliga nicht schon nach nur einer Saison vorbei ist."

Kontinuität. Das ist ein wichtiges Wort für einen bodenständigen, in langfristigen Bahnen denkenden Menschen wie ihn. Der ehemalige Bundesligaschiedsrichter ist seit 1978, dem Gründungsjahr der bis heute ausschließlich dem weiblichen Geschlecht offenen Handballabteilung, im Amt. Martin Kahle, 38, der Trainer, sitzt mit einer kurzen Unterbrechung seit fast zwanzig Jahren auf der Bank. "Beständigkeit und Vertrauen auf den wichtigen Positionen sind der Schlüssel", sagt Niederlüke.

Kontinuierlich haben sie auch den Bundesligaaufstieg, den größten Erfolg der Vereinsgeschichte, vorangetrieben. Vier Anläufe hatte es vorher gegeben - mit dem immergleichen, bitteren Ende in den entscheidenden Relegationsspielen. 2005 gründeten sie eine GmbH, um auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den vier Jahre später endlich geglückten Standortwechsel in die Bundesliga zu schaffen.

Große Namen und großes Geld gibt es aber nicht - dafür eine Mannschaft, die als Kollektiv funktionieren und mit liebenswert bescheidenen finanziellen Mitteln die Großen des Geschäfts immer wieder ärgern kann. "Die Mannschaft hat eine hohe Eigenverantwortung", sagt Kahle. "Die Spielerinnen wissen, dass sie nur als Einheit erfolgreich spielen können."

Nach den beiden Niederlagen am Mittwoch gegen Leipzig (23 : 29) und am Samstag zum Rückrundenauftakt in Thüringen (20 : 25) müssen sie es nur wieder unter Beweis stellen. Sonst braucht es nicht viel Phantasie, um sich ernsthaft mit dem Thema Abstieg zu beschäftigen.

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