Wettbewerb: Kronzeuge des Kartellamts

Mit einer Selbstanzeige soll Jacobs Kaffee ein Bußgeld wegen illegaler Absprachen abgewendet haben. Die Branche klagt derweil über den ruinösen Niedergang der Preise.

Sie hatte von den Preisabsprachen wohl nix: Kaffeepflückerin in Vietnam, dem seit kurzem zweitgrößten Kaffeeexporteur der Welt. : dpa

Jacobs Kaffee könnte von einem 160 Millionen Euro-Bußgeld wegen illegaler Preisabsprachen ausgenommen worden sein, weil die Konzernmutter Kraft sich beim Bundeskartellamt selbst angezeigt hat. So soll das Unternehmen von einer Kronzeugenregelung profitiert haben und straffrei ausgegangen sein. Dies berichtet der Spiegel in seiner Ausgabe vom Montag.

Demnach hat der Skandal um ein Kaffee-Kartell bei drei der größten Kaffeeröster Deutschlands in Bremen seinen Anfang genommen. Im Februar 2008 sollen Ermittler des Bundeskartellamtes die Bremer Zentrale von Kraft Foods durchsucht haben, zu dem neben Jacobs Kaffee auch Milka Schokolade gehört. Ebenjene hatten die Fahnder bei ihrer Razzia im Visier: Sie glaubten an ein Schokoladen-Kartell, das die Preise für Süßwaren durch verbotene Absprachen künstlich oben hält, schreibt der Spiegel. Hinweise darauf fanden sie nicht, doch bei der Geschäftsführung löste die Aktion offenbar Panik aus. Kurz darauf habe sich das Unternehmen beim Bundeskartellamt selber angezeigt. Und zwar nicht wegen der vermuteten Schokoladen-Preisabsprachen, sondern wohl wegen der Beteiligung an einem Kaffee-Kartell, so das Magazin.

Die durch diese Selbstanzeige angestoßenen Ermittlungen führten schließlich dazu, dass die Wettbewerbsbehörde am letzten Montag ein Bußgeld von 159,5 Millionen Euro gegen die Jacobs-Konkurrenten Dallmayr, Melitta und Tchibo verhing. Sie sollen von 2000 bis 2008 mindestens fünf Preiserhöhungen abgestimmt und im Markt durchgesetzt. Dies hätte sich "unmittelbar zu Lasten der Endverbraucher ausgewirkt", so das Kartellamt. Als die Fahnder bei den drei Firmen anrückten und belastendes Material sammelten, blieb Jacobs von Durchsuchungen verschont - dabei hatte das Unternehmen die Preise vergleichbar angezogen.

Eine dem Strafrecht ähnliche Kronzeugenregelung für Preiskartelle wurde im Jahr 2000 eingeführt. Die hohen Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Bisher sei aber noch kein Widerspruch eingegangen, sagte der zuständige Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Klaus Bronny am Montag zur taz. Das Bundeskartellamt war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, die betroffenen Unternehmen verweigern ohnehin jede Auskunft. Ebenso wie ihre Branchenorganisation, der Deutsche Kaffee Verband, der "überhaupt gar nichts zu dem ganzen Komplex" sagen will.

In dem Bericht stellen "Brancheninsider" die Preisabsprachen derweil als "Akt der Notwehr" hin. Nirgendwo sonst seien die Preise derart unter Druck wie beim Kaffee. Das sehen auch die kleinen Röstereien so. "Der Kaffee wird über die Discounter verramscht", sagt Hanspeter Hagen von der Deutschen Röstergilde. Derzeit gebe es "Melitta Auslese für 2,49 Euro das Pfund, mit sieben Prozent Mehrwert- und 1,10 Euro Röstkaffeesteuer". Bei solchen Preise müssten die Großröster "Federn lassen bis zum Letzten, da kann nichts übrig bleiben". Hagens Kaffee kostet mindestens das Doppelte. Das setze allerdings "bewusste Konsumenten" voraus, sagt Hagen. Weil sie eine solche Kundschaft hätten, seien die kleinen Röster bei dem ruinösen Preiskampf "außen vor". Von "Notwehr" zu sprechen, sei deshalb so falsch nicht: "Die Umsätze werden hochgejagt, die Marge wird immer kleiner." Zwar sei "niemand zu solchen Praktiken verdammt, aber der Druck ist enorm".

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