Rechtsstreit in Mannheim: Umweltzone gegen Kohlekraftwerk

Klimaschützer ziehen gegen Block 9 in Mannheim vor Gericht. Wegen der fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr wird das Kraftwerk zwar nicht kippen. Aber vielleicht wegen der Umweltzone.

Das geplantes Großkraftwerk in Mannheim soll vor Gericht gestoppt werden. Bild: dpa

Erst sammelten sie 16.500 Unterschriften. Dann legten sie 5.000 Einsprüche ein. Am letzten Wochenende mauerten sie die Baustelleneinfahrt am Mannheimer Rheinufer zu. Jetzt zieht der BUND für die KlimaschützerInnen vor Gericht. Der Umweltverband will das 911-Megawatt-Steinkohlekraftwerk Block 9, das ab 2013 jährlich rund 5 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen soll, doch noch stoppen.

Die Richter müssten die Genehmigung wegen "eklatanter Fehler" widerrufen, fordert Matthias Weyland, Geschäftsführer des BUND Rhein-Neckar-Odenwald. Anteilseigner der Großkraftwerk Mannheim AG (GKM) sind die Energiekonzerne RWE und EnBW sowie der Regionalversorger MVV Energie, an dem die Stadt die Mehrheit hält.

Dass der CO2-Ausstoß vor Gericht eine Rolle spielen wird, ist unwahrscheinlich: Das Klimagas zählt hierzulande noch immer nicht als Schadstoff. Doch der Kohleofen wird auch Stickoxide, Stäube, Schwermetalle und andere Gifte in die Umwelt pusten, vom Lärm ganz zu schweigen. Gelänge es, hier eine Grenzwert-Überschreitung nachzuweisen, wäre die Anlage voraussichtlich nicht mehr genehmigungsfähig, erläutert Weyland. Das würde dann nicht nur die Mannheimer Luft, sondern zugleich die Atmosphäre entlasten. Den KlimaschützerInnen der Region war diese Hoffnung schon mehrere Tausend Euro für die Prozesskosten wert.

Weyland kann eine ganze Reihe von Fauxpas der Kraftwerksbauer aufzählen, vom unzulässig hoch veranschlagten Schornstein - der die berechneten Schadstoffwerte am Boden niedriger ausfallen ließ - bis zur öffentlichen Behauptung, die Quecksilberbelastung würde durch das neue Kraftwerk sogar sinken. Diese Darstellung hielt selbst das zuständige Regierungspräsidium für unlauter. Man müsse "einmal deutlich sagen, dass die Reduzierung eine höchst relative ist", stellte es klar. Unklar geblieben und deswegen ein Fall für das Gericht ist noch, ob man Lärmbelastungen, wie geschehen, tatsächlich bei Abwind messen darf.

Darüber hinaus will der BUND mit der Klage eine in seinen Augen fatale Praxis der Genehmigungsbehörden in Baden-Württemberg kippen. Die betrachten bei Schadstoffen jeden neuen Kraftwerksblock jeweils als eigenständige Anlage - obwohl etwa Block 9 auch offiziell als "Erweiterung" des bestehenden Kraftwerks gilt. Andere Bundesländer wie das benachbarte Rheinland-Pfalz berücksichtigen dagegen die Emissionen der Gesamtanlagen. Beim Lärm verfährt selbst Baden-Württemberg so.

Was nach Haarspalterei aussieht, hat gewichtige Folgen. Ohne diese Salamitaktik gingen die Zusatzbelastungen durch das Kraftwerk nicht mehr als "irrelevant" durch, glaubt Weyland. Dann müsste die Behörde zunächst die bereits vorhandenen Schadstoffe aufwändig messen. Und diese Zeitverzögerung alleine könnte das Kraftwerk unwirtschaftlich machen. Der Bauherr müsste anschließend nachweisen, dass die Grenzwerte selbst mit den Immissionen des Kraftwerks überall eingehalten werden. Problematisch könnte das beim Quecksilber und beim Feinstaub werden, sicher scheitern würde es bei den Stickoxiden. Für die gilt ab 2010 eine Grenze von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel - in den letzten Jahren lagen die Werte in Mannheim regelmäßig deutlich darüber. Unter anderem deswegen wies die Stadt eine Umweltzone aus. Die könnte nun, prophezeien Experten, neben dieselrußenden Fahrzeugen auch dem Kohlekraftwerk zum Verhängnis werden. Die Klimaschützer würde es freuen.

Zumal ein Aus für Block 9 auch die Klimaziele Mannheims retten würde. 40 Prozent weniger CO2 als noch 1990 will die Stadt im Jahr 2020 ausstoßen - der lokale Beitrag, um das globale Klimaproblem zu entschärfen. Selbst vom BUND kam dafür Lob. Doch die "Klimaschutzkonzeption 2020" der Stadt, die den Weg dorthin beschreibt, weist nach: Mit Block 9 ist dieses Ziel nicht zu schaffen - es sei denn, die GKM legte im Gegenzug alle ihre fünf anderen Kohleblöcke, insgesamt 1.675 Megawatt, still. Davon jedoch ist bisher nirgendwo die Rede.

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