Krustentiere? Aber korrekt!

COSTA RICA Drei von vier Garnelen, die hierherkommen, wurden ökologisch gezüchtet und verarbeitet. Eine deutsche Firma ist seit 2002 vor Ort aktiv und hat eine Fabrik aufgebaut

Mangrovenwälder werden für die Larvenzucht nicht umgepflügt

VON KNUT HENKEL

„Frutas Marinas del Mar“ steht auf dem großen Schild am Straßenrand ein paar Kilometer südlich vom Strandbad Jaco. „Hier wird heute geerntet“ erklärt René Diers und deutet auf die Schleuse, wo ein kleiner Kranwagen mit einem Netz steht. In ein paar Minuten wird das Wasser aus dem fünf bis sechs Hektar großen Teich abgelassen. Mit dem Nass werden einige Tonnen Garnelen in das Netz gespült. „Alle sechs Monate lassen wir die Teiche trockenlaufen“, schildert Diers das Vorgehen. Der sportlich wirkende Mann von Ende dreißig ist der Manager von Costa Ricas modernster Garnelenfabrik und koordiniert seit ein paar Monaten auch die Arbeit bei Frutas Marinas del Mar.

Die Farm mit rund vierzig Teichen auf 180 Hektar Fläche gehört zu den größten Garnelen-Farmen Costa Ricas. Weit im Süden der Pazifikküste Costa Ricas hat sich das Unternehmen angesiedelt. Vor sieben Jahren ist das Unternehmen von Naturland zertifiziert worden und gehört seitdem zu den großen Lieferanten der Ristic AG aus Oberferrieden bei Nürnberg. Für das Unternehmen ist René Diers vor Ort und kontrolliert nicht nur Qualität und Gewicht der Meeresfrüchte, sondern nimmt auch regelmäßig die Produktionsbedingungen bei den Ristic-Lieferanten in dem kleinen mittelamerikanischen Land in Augenschein.

Ein Mitarbeiter der Garnelen-Farm reicht Diers einen Kescher, in dem sich mehrere der kleinen Krustentiere winden, hochschnellen und von den Maschen schließlich gehalten werden. Zwischen sieben und acht Gramm schwer sind die Exemplare, schätzt der Fachmann und insgesamt rechnen Diers und die Angestellten der Farm mit einem Fang von rund fünf Tonnen.

Zwei Zyklen gibt es bei der Garnelenzucht in Costa Rica. Im Februar/März und im Juli/August werden die Larven ausgesetzt und dann auf ihr Erntegewicht aufgepäppelt – ganz ohne Medikamente und ohne die Mangrovenwälder umzupflügen wie in anderen Regionen. „Der große Unterschied zur konventionellen Produktion ist die deutlich niedrigere Besatzquote“, erklärt Diers, der heute mit Michael Struffert aus der Zentrale vor Ort ist. Struffert hat die Produktion in Costa Rica aufgebaut und die Vision einer nachhaltigen, den Bestand erhaltenden Garnelenfischerei in Mittelamerika seit 2002 realisiert.

Die Keimzelle war der Fang von wildlebenden Krustentieren an der Pazifikküste rund um Puntarenas. Dort in der Freihandelszone steht auch die moderne Fabrik, über der in dicken Lettern „Rainbow Export Ristic“ steht. Seit 2006 steht das schmucke weiße Gebäude hier, wo je nach Bedarf zwischen siebzig und einhundertfünfzig Arbeitern an den Sortier- und Schältischen stehen. „Tendenziell können wir bis zu vierhundert Leute anstellen“, erklärt Struffert, der von vornherein so geplant hat, dass die Produktion langsam ausgeweitet werden kann. Das ist der Fall.

Zwischen 2010 und 2012 wurde die Erntemenge von knapp 600 auf 1.200 Tonnen verdoppelt. Davon gehen 80 Prozent an den Stammsitz. Von dort werden die Ristic-Garnelen in Deutschland und Europa an Discounter und Supermärkte vertrieben. Der Rest bleibt in der Region oder wird in die USA exportiert. Dort fasste die Ristic AG mit den Biogarnelen aus Costa Rica in den letzten beiden Jahren Fuß.

Die Nachfrage ist da. Derzeit laufen die Verhandlungen mit der letzten großen Farm in Costa Rica, die Produktion auf Bio umzustellen. Dann würden nicht mehr drei von vier Gambas aus Costa Rica nach Biokriterien produziert, sondern jede einzelne. Das ist das Ziel von Struffert, der mit der Entwicklung sehr zufrieden ist und den Garnelen-Farmern auch bei der Umstellung hilft. Dabei geht der Blick auch über die Grenzen des Landes hinaus, denn in Nicaragua, Ecuador oder Honduras werden die Krustentiere ebenfalls gezüchtet, wenn auch konventionell. Grund genug für Struffert und Diers, in der Region zu reisen, Kontakte zu anderen Farmen aufzubauen und ihr alternatives Modell vorzustellen.

Feste Abnahmepreise und ein garantierter Absatz sind dabei gute Argumente, und der Verweis auf das langfristige Engagement ist es auch. Ein Übriges tun die guten Erfahrungen der lokalen Farmer, die den Franken ein gutes Zeugnis ausstellen.

Die Perspektiven sind da, doch die Farmer sind teilweise noch recht zögerlich. Umstellung und Zertifizierung kosten Geld, und auch die Ristic AG musste sich bei der Investition in die Fabrik und den Aufbau des Geschäfts in Costa Rica Unterstützung holen. Rund drei Millionen US-Dollar wurden schließlich investiert. Über ein Public Private Partnership holte man sich Expertise und günstige Kreditkonditionen. Für die Expertise sorgt dabei mit Ingo Wehrtmann ein Friese, der an der Universität von San José Meeresbiologie unterrichtet. „Wir haben damals mit dem Wildfang begonnen und die Scherbretter neu gestaltet“, erinnert sich der Wissenschaftler. Die Scherbretter, die mit dem Netz über den Meeresgrund gezogen werden, wurden neu konzipiert, um die Schäden auf dem Meeresgrund zu minimieren. Mit den neuen Brettern, deutlich leichter und mit Rollen versehen, sank dann auch noch ganz nebenbei der Dieselverbrauch.

Doch die Fangquoten gingen zurück, wofür es bisher noch keine schlüssige Erklärung gibt, so dass das Gros der Produktion heute aus der Zucht wie Frutas Marinas del Mar kommt. Dort haben die Mitarbeiter gerade die letzten Garnelen aus dem Netz in eisgekühltes Wasser gleiten lassen. Bis zum Abend sollen aus den fünf Tonnen Frischware drei Tonnen geschälte Biogarnelen werden. Die gehen dann nachts im Kühlcontainer auf die Reise zum Atlantikhafen Limón und von dort direkt nach Europa. „Nachschub für den deutschen Markt“ schmunzelt Struffert und steigt in den Wagen, der Diers und ihn zurück zur Fabrik bringt.