Debatte Politik auf Pump: Wege aus der Schuldenfalle

Die deutsche Einheit wurde noch auf Pump finanziert. Heute zwingt uns die Krise zu einer nationalen Anstrengung wie in den 50ern.

Die einzige erfolgreiche soziale Revolution in Deutschland ereignete sich nach 1948. Sie begann mit der Währungsreform und setzte sich 1952 mit den Lastenausgleichsgesetzen unter einer CDU-geführten Bundesregierung fort. Im Ergebnis wurde der Staat nach dem Zweiten Weltkrieg entschuldet und erhebliches Vermögen umverteilt. Beides legte die Basis für das beispiellose Wirtschaftswunder der 50er-Jahre.

Heute ist Deutschland erneut hoch verschuldet - mit 1,6 Billionen Euro. Während sich das Nettovermögen der privaten Haushalte seit der Vereinigung von 1990 verdoppelte, haben sich die öffentlichen Schulden verdreifacht. Steuersenkungen in Milliardenhöhe, von denen FDP und CSU träumen, müssen an der Realität scheitern.

Unsere Demokratie steht vor einer Nagelprobe. Die Kluft zwischen Armen und Vermögenden nimmt ständig zu. Zugleich müssen die Ausgaben für Bildung um mehr als 30 Prozent gesteigert werden, während der Klimawandel den Umbau ganzer Wirtschaftszweige erfordert. Der demografische Wandel stellt das Pflege- und Gesundheitswesen vor gewaltige Herausforderungen, dabei hat die Schuldenlast den Staat auf Jahre hinaus paralysiert.

Wie gelingt es, den Staat zu entschulden? Wie gelingt es, wieder für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen? Von diesen Fragen hängt es ab, ob Demokratie und soziale Marktwirtschaft auch künftig noch als Gesellschaftsordnung akzeptiert werden oder nicht. Die Lage ist schwierig, aber nicht hoffnungslos. Unsere Nachbarn im Norden haben es vorgemacht, wie die Probleme bewältigt werden können. Aber dafür braucht es eine nationale Anstrengung. Deswegen wird es Zeit, einen Vorschlag aufzugreifen, der schon 1992 intensiv debattiert wurde: eine Vermögensabgabe nach dem Vorbild des Lastenausgleichs.

Zu den größten Fürsprechern eines Lastenausgleichs zählten damals Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Arbeitsminister Norbert Blüm, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier und die Grünen. Durchgesetzt haben sich am Ende die Gegner um Finanzminister Theo Waigel und den FDP-Parteivorsitzenden Otto Graf Lambsdorff. Die Folge war, dass die deutsche Einheit überwiegend auf Pump finanziert wurde.

Nicht zufällig hat der West-Ost-Transfer mit über 1,5 Billionen Euro in der Summe bereits die Höhe der Schulden aller öffentlichen Haushalte erreicht. Den größten Anteil zahlten allerdings die Sozialversicherungen. Dadurch wuchsen die Beiträge für die Sozialversicherungen - und das allein auf Kosten der unteren und mittleren Einkommen -, während wachsende Lohnnebenkosten die Arbeitslosigkeit in die Höhe trieben.

Von Weizsäcker wollte mit einem Lastenausgleich nach Vorbild der frühen 50er-Jahre ein neues Wirtschaftswunder initiieren, indem er auf die Initiative der Menschen setzte - und er wollte die Lasten gerechter verteilt sehen. Mit der Währungsreform von 1948 waren alle Geldvermögen um bis zu 90 Prozent entwertet worden, der Staat vom Gros der Kriegslasten befreit. Mit dem Lastenausgleich wurden dann alle sonstigen Vermögen mit einer Lastenausgleichsabgabe in Höhe von 50 Prozent belegt. Als Stichtag wurde rückwirkend der Tag der Währungsreform gewählt, der 21. Juni 1948.

Die Belasteten hatten allerdings 30 Jahre Zeit, um die eingetragene Schuld an den Staat zu begleichen. Wachsender Wohlstand und die Inflationsrate trugen dazu bei, dass die Belastung am Ende viel geringer ausfiel, als sie ursprünglich angesetzt wurde. Heute geht man davon aus, dass die Entschuldung des Staates, die gerechte Umverteilung und die Abschöpfung der Kaufkraft dazu beitrugen, dass es in Deutschland zum erstaunlichen Boom der 50er-Jahre kam.

Heute ist von Weizsäckers Vorschlag aktueller denn je. Denn wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, seine Zukunftsaufgaben zu finanzieren, sägen wir an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Mit 1,6 Billionen Euro könnten die öffentlichen Haushalte mit einem Schlag entschuldet werden. Das klingt nach viel. Aber verglichen mit 1952 würde dafür eine Sonderbelastung der Vermögen von "nur" circa 16 Prozent nötig sein. Streckt man die Tilgung wieder auf dreißig Jahre, während die noch zu erbringende Schuld mit 4 Prozent verzinst wird, dann ergibt sich eine jährliche Anfangsbelastung von gerade mal 0,9 Prozent, die mit der Inflationsrate jährlich geringer wird. Es ist also machbar.

Die Gegner eines Lastenausgleichs störte damals denn auch weniger die Belastung der Eigentümer, sie fürchteten eher eine Steuerflucht. Aber gerade durch eine Sonderabgabe wird diese Gefahr vermieden. Da die Abgabe an einem Zeitpunkt in der Vergangenheit ansetzt, ist Kapitalflucht sinnlos. Angesichts eines Zeitraumes von 40 Jahren, in dem dann eine Steuerhinterziehung entdeckt und verfolgt werden kann, ist die Entdeckungsgefahr so groß, dass Steuerhinterziehung sehr unattraktiv wird.

Einmalige Vermögensabgabe

Anders als 1952 besitzt heute über die Hälfte der Bundesbürger ein Haus oder eine Wohnung - und wäre damit von der Abgabe betroffen wäre. Dieser wichtige Aspekt muss mit bedacht werden, deshalb sollte die Abgabe progressiv sein: Das ist gerechter und schafft größere Akzeptanz. Zum Beispiel könnten kleine Vermögen bis 20.000 Euro abgabenfrei bleiben.

Je größer das Vermögen, desto größer sollte der Steuersatz sein, bis dann ab 500.000 Euro eine Abgabe von 25 Prozent erreicht wird. Auch bei einem solchen Modell läge die Belastung weit unterhalb des Lastenausgleichs von 1952. Es hätte aber den Vorteil, dass sich die Menschen trotz der Belastungen gerecht behandelt fühlen würden.

Würde eine solche Abgabe mit einer Verbesserung des Bildungssystems und mittelfristig mit einer Senkung der Sozialabgaben verbunden, wie es von der OECD empfohlen wird, dann würde sie auch eher akzeptiert. Die Bundesrepublik wäre wieder handlungsfähig, die Zukunftsaufgaben können angepackt werden. Davon würde nicht zuletzt dann auch die Wirtschaft profitieren und all diejenigen, die die Abgabe zahlen müssen.

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