USA testet den Ernstfall: Arbeiten in Zeiten der Schweinegrippe

Was würde passieren, wenn bei einer Pandemie viele Menschen von Zuhause arbeiten müssten? In den USA wird getestet, wie die Gesellschaft dank Internet weiterfunktioniert.

Wartschlange zum Impfen: Was würde passieren wenn alle von Zuhause arbeiten müssten? Bild: ap

BERLIN taz | Ein bisschen erinnert die Situation an die Nachwehen des 11. September 2001. Damals begannen Finanzkonzerne in der Region um New York, parallel zu ihren Hauptquartieren in Manhattan Ersatzarbeitsstätten im Speckgürtel außerhalb der Innenstadt aufzubauen. So sollte es möglich werden, auch im Extremfall eines erneuten Terroranschlags innerhalb kürzester Zeit auf den Ausweichort "umzuschalten", ohne dass der normale Geschäftsablauf, der Handel oder der Kundendienst unterbrochen werden müssten.

In den letzten Wochen wird in den USA nun erneut über solche radikalen Katastrophenschutzmaßnahmen für die Wirtschaft nachgedacht - diesmal vor dem Hintergrund einer Schweinegrippepandemie. Nachdem Präsident Barack Obama den nationalen Notstand ausgerufen hat, der Gegenmaßnahmen erleichtern soll, fragt sich nun die Industrie, was getan werden könnte, sollten tatsächlich 30 oder gar 40 Prozent der Mitarbeiter ausfallen oder aufgrund der Infektionsgefahr nach Hause geschickt werden.

Die Antwort ist relativ einfach: die Nutzung bestehender Internettechnologien. Tatsächlich hat sich Heimarbeit in der IT, im telefonischen Kundendienst und sogar im Beratungsgeschäft in den letzten Jahren explosionsartig verbreitet. Aber das heißt nicht, dass man im Grippefall alle anderen Mitarbeiter nach Hause schicken könnte, damit sie so arbeiten wie zuvor.

Bereit sind nämlich nur die wenigsten Unternehmen, wie Tests zeigen. Das Disaster Recovery Institute in New York, das Firmen für Katastrophenfälle berät und den Ablauf von Notsituationen analysiert, stellte in einer Untersuchung fest, dass sogenannte virtuelle private Netzwerke, kurz VPNs, mit denen sich Mitarbeiter in ihr Firmennetz einklinken könnten, für die plötzliche Zunahme von Heimarbeit noch nicht ausgelegt sind. "Bei einigen Tests mit Firmen waren die Internetadressen in fünf Minuten alle weg", so Exekutivdirektor Al Berman.

Unternehmen sollten deshalb schleunigst versuchen, ihre grundlegenden Strukturen so aufzubauen, dass die Wartung der IT-Infrastruktur, die Buchhaltung und der Kundendienst durch die Mitarbeiter auch von zu Hause aus möglich sind. Technisch gesehen wäre das kein Problem. Breitbandanschlüsse hat heutzutage schließlich fast jeder, zumindest in den Ballungsräumen.

Allerdings kann noch niemand sagen, was passiert, wenn tatsächlich fast jeder zum Heimarbeiter wird. Das amerikanische Pendant zum Bundesrechnungshof, das Government Accountability Office, warnt gar davor, dass im Pandemiefall große Teile des Internets zusammenbrechen könnten, weil dann die meisten Menschen, abgeschottet von der Außenwelt, ständig vor dem PC hängen würden. Die Behörde forderte deshalb das Heimatschutzministerium auf, sicherzustellen, dass kritische Infrastruktur der Telekommunikation tatsächlich auf solche Fälle vorbereitet ist.

"Eine solche Netzwerküberlastung könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass beispielsweise Börsenhändler und andere Marktteilnehmer nicht mehr arbeiten können", warnt die Behörde in einem Bericht. Und forderte gar, im Notfall Unterhaltungs-Websites wie YouTube abzuschalten, damit der Datenverkehr für Telearbeiter Priorität hätte.

Einen Lichtblick gibt es: Wichtige Systeme wie die Steuerung des Stromnetzes sind bislang noch unabhängig vom Internet. "Diese Strukturen werden aller Voraussicht nach weiter arbeiten", so die Behörde. Bislang gilt die Schweinegrippe nur im Bereich der Impfgroßaktion als Experiment. Wenn alle zu Telearbeitern werden, wird es auch ein Experiment für das Datenübertragungsnetz.

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