Chinas schwieriger Weg: Reformen, die nicht funktionieren

Reformen in China scheitern an der Macht des Beamtenapparats, meint der Wissenschaftler Qin Hui. Das "chinesische Wunder" sei Folge fehlender Menschenrechte.

Hoffen auf Wandel: Eine Frau in Peking liest die chinesische Ausgabe der Biografie Barack Obamas. Bild: ap

Für Professor Qin Hui ist das "chinesische Wunder" eine Folge der "Vorteile durch das niedrige Menschenrechtsniveau" ist. Ein niedriges Lohnniveau und schlechte soziale Sicherungen trügen ihren Teil dazu bei.

China habe so eine Wettbewerbsfähigkeit entwickelt, die bei freien Markwirtschaften und Wohlfahrtsstaaten sonst nur selten zu beobachten sei. Für die westlichen Staaten würden dadurch eine Reihe von Problemen entstehen, sagt Quin bei einer Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse. Denn die billigen chinesischen Produkte setzten die ausländischen Gewerkschaften unter Druck, minderten den Wohlstand anderer Menschen. Dem ausländischen Kapital bliebe wiederum nichts anderes übrig, als dem heimischen Druck zu entfliehen und sich an ein Entwicklungsland wie China zu wenden.

Der lang anhaltende Reformprozess in China wiederum sei durch Widersprüche geprägt, denen kaum zu entgehen sei: Schwenkt die Politik nach "links", so wird die Freiheit der Bürger vermindert, aber dennoch wächst der Wohlstand nur schleppend. Schwenkt die Politik aber nach "rechts", so sinkt der Wohlstand der Bürger, aber dennoch können die bürgerlichen Freiheiten nur langsam ausgeweitet werden. Bei einer "kleinen Regierung", die auf den Anspruch verzichtet, alles von oben zu regeln, entziehen sich die Beamten ihrer Verantwortung, ihre Macht kann aber dennoch nur schwer begrenzt werden. Bei der "großen Regierung" vergrößern die Beamten ihre Macht, können aber kaum zur Rechenschaft gezogen werden.

Das sei ein wesentlicher Grund, warum die chinesischen Reform nicht vorwärts kommen. In China gab es zwar viele Reformen, aber sie hätten gerade nicht die gesellschaftlichen Probleme gelöst, analysiert Qin Hui.

Qin Hui ist wahrhaftig ein Einzelgänger. In China gibt es sonst nur zwei Gruppen von Akademikern. Die eine besteht aus offiziellen Intellektuellen, die ihre Forschungen nur nach vorgegebenen Ergebnissen tätigen. Das höchste Ziel ihrer Arbeit besteht darin, die Ohren der Regierung mit Lobgesang zu beschallen.

Ein Vertreter dieser Gruppe ist Professor Li Xiguang. Er arbeitete einst für die "Washington Post". Seit er zurück in China ist, bemüht er sich um den Aufbau eines Systems von Pressesprechern. Mit modernsten Mitteln will er das Image der chinesischen Regierung aufpolieren, damit sie nach außen offener wirkt. Tatsächlich aber besteht seine Arbeit darin, den Funktionären der Regierung beizubringen, wie man Interviews auf geschickte Weise ablehnt und mit Problemen umgeht.

In seinem Buch "Das verteufelte China" kritisiert Li Xiguang die westlichen Medien und versucht am Beispiel einiger extremer Ereignisse die Unglaubwürdigkeit der westlichen China-Berichterstattung zu beweisen. Dabei finden die durchaus differenzierten Stimmen in den westlichen Medien keinerlei Erwähnung.

Dann gibt es noch eine zweite Gruppe von Akademikern. Sie halten die Fahne der Gegenpartei hoch und widersprechen der chinesischen Regierung aus Prinzip, ungeachtet der Problemlage. Auf diese Weise erhalten sie Unterstützung von der Opposition, können aber kaum bemerkenswerte akademische Leistungen aufweisen.

Meine Freunde und ich sind daher der Meinung, dass es keine wirklich guten Akademiker in China gibt. Ein Freund von mir mahnte jedoch neulich ein bisschen Toleranz an. Wir haben es mit einem System zu tun, das die Entfaltung von Gerechtigkeit und Wahrheit nicht fördert. Es fördert nur die Opportunisten. Qin Hui ist keiner von ihnen.

Übersetzt von Jost Wübbeke und Liu Feng.

CHEN MENGCANG, geb. 1981, ist Redakteur und Journalist beim chinesischen Webportal Netease (Wangyi) in Peking. Dieses ist vergleichbar mit den Portalen gmx oder yahoo.

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