Presseeröffnung der Buchmesse: Der heikle Gast: China

Jürgen Boos erklärt auf der Eröffnungspressekonferenz, warum die Frankfurter Buchmesse mit Gastländern arbeiten muss, die Kritik auf sich ziehen.

Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, bei der Eröffnungspressekonferenz Bild: frankfurter buchmesse

Die Buchbranche und China haben etwas gemeinsam, glaubt der Leiter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder. Die Branche befinde sich aufgrund der sich „ausbreitenden“ Digitalisierung im Umbruch. Und China stehe wie kaum ein anderes Land für bahnbrechende gesellschaftliche Veränderungen.

Auch Jürgen Boos, der Direktor der Buchmesse, fand auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der 36. Buchmesse den Begriff „Umbruch“ passend für seinen „heiklen Gast“ China. Boos steht wie kein Buchmessendirektor vor ihm in der öffentlichen Kritik, seit er auf einem China-Symposium im Vorfeld der Messe bei der offiziellen chinesischen Delegation um Entschuldigung bat, weil er auch Dissidenten eingeladen hatte.

Nun beschränkte sich Boos darauf, von „Diskussionen im Vorfeld“ zu sprechen. Dann ging der sichtlich unter Druck stehende Buchmessenchef zur Funktionsbestimmung der Buchmesse als solcher über. „Was kann die Buchmesse?“, fragte er. Die Antwort: Sie kann Plattform sein, denn sie sei der „größte Lesesaal der Welt“. Ihre Durchschlagskraft könne sie dazu nutzen, bislang unzugängliche Literatur zugänglich zu machen. Derzeit fänden sich im Verzeichnis lieferbarer und ins Deutsche übersetzter Titel etwa 80 aus China. Nach der Buchmesse dürfte sich diese Zahl auf etwa 400 erhöht haben.

In impliziter Selbstverteidigung schloss Boos an dieses zweifellose Verdienst der Buchmesse folgende Überlegung an: „Wir sind eine kulturelle Diskursplattform mit klaren Regeln, aber wir sind nicht die Uno. Wir können Konflikte aufzeigen, aber wir können sie nicht lösen.“ So richtig diese Feststellung ist, von einer sensiblen Moderation der Konflikte zwischen dem staatlichen Repräsentationsanspruch und der Redefreiheit für Dissidenten enthebt diese Feststellung sicherlich nicht.

Als nächstes griff Boos ein weiteres Raunen im Vorfeld der Buchmesse auf: Darf die Buchmesse sich mit Ländern beschäftigen, die offenkundig das Menschenrecht auf Redefreiheit verletzen? Seine Antwort: Ja. Die Messe beschäftige sich ganz bewusst mit Ländern, die Kritik auf sich ziehen. Eben um die Konfliktlinien aufzuzeigen. Siehe oben.

Dann folgte die Formel, die nicht fehlen darf: „Wir verurteilen die Beschränkung der Meinungsfreiheit in der VR China auf schärfste.“ Schon Honnefelder hatte darauf hingewiesen, dass man diese Forderung auch heute abend, bei der Eröffnungsfeier mit Angela Merkel und Vize-Präsident Xi Jinping klar zum Ausdruck bringen werde. Gleichzeitig, so Boos weiter, setze die Messe auf „Wandel durch Annäherung“ beziehungsweise „Annäherung durch Literatur“. In diesem Zusammenhang fiel dann auch der Verweis auf die rund 250 Veranstaltungen jenseits des offiziellen China-Programms. Diese böten Kritikern und Dissidenten die Möglichkeit, „frei und unabhängig“ zu diskutieren.

Zuguterletzt schloss der Direktor der Buchmesse mit dem Appell, eine Buchmesse müsse sich auf ihr Kernthema fokussieren, die Literatur. Und: Sie könne und dürfe alles sein, nur eines nicht: langweilig. Mit der Spannung allerdings war es bei den Gästen der Konferenz noch nicht weit her. Die anschließende Fragerunde lief äußerst schleppend an. Im Gegensatz zum letzten Jahr, als die Türkei Gastland war, zeigte sich das Pressepublikum weitgehend teilnahmslos. Ganze drei Redner meldeten sich zur Wort. Ob Herr Boos wegen seinem Gast China so viel gelächelt habe – oder weil er immer viel lächele? Die Antwort von Jürgen Boos fiel knapp aus: Sowohl als auch. Ob es gelingen könne, die Zweigleisigkeit durchzuhalten, das offizielle China einerseits und das dissentische andererseits? Wir haben nicht zwei Chinas, sondern hundert Chinas, antwortete der Direktor der Buchmesse. Nicht auf vielen, aber auf einigen Veranstaltungen wird es Schnittmengen geben. Die BesucherInnen haben die Chance, sich ihr eigenes China-Bild zusammenzustellen.

Man darf gespannt sein, was die beiden heute Abend bei der offiziellen Eröffnung den Spitzengästen Angela Merkel und Xi Jinping sagen werden.

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