Amoklauf in Ansbach: "Die Länder sind in der Pflicht"

Polizei und Lehrerverbände fordern nach dem Amoklauf in Ansbach mehr Schulpsychologen. Die Länder müssten Geld investieren, anstatt ständig nach schärferen Gesetzen zu rufen.

Unverhältnismäßig? Mit fünf Schüssen aus Maschinengewehren streckte die Polizei den Amokläufer in Ansbach nieder. Bild: ap

ANSBACH dpa/ap | Nach dem Amoklauf im fränkischen Ansbach haben Ermittler nach Informationen des Bayerischen Rundfunks in der elterlichen Wohnung des Täters Beweismaterial beschlagnahmt. Offenbar sei die Tat geplant gewesen: Bei einer Durchsuchung des Zimmers des Gymnasiasten hätten Fahnder entsprechende Briefe entdeckt, sagte Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger am Freitag in Ansbach. "Gefunden worden ist auch eine Art Kalenderblatt, da hat unter dem 17.9. das Wort "Apokalypse" gestanden", ergänzte Jürgen Krach von der Staatsanwaltschaft Ansbach. Auch ein Testament sei unter den Unterlagen gewesen.

Der Abiturient Georg R. hatte am Donnerstag acht Schüler und einen Lehrer seiner eigenen Schule verletzt. Er warf Brandsätze in zwei Klassenräume und wartete mit einer Axt bewaffnet vor der Tür auf seine herauskommenden Opfer. "Dort schlug der Täter wahllos auf die Schüler und den Lehrer ein", schilderte Lehnberger. Ein Mädchen traf er mit der Axt am Kopf, sie schwebt weiter in Lebensgefahr. Ein weiteres Mädchen zog sich schwerste Brandwunden zu. Insgesamt erlitten fünf Menschen Brand-, Schnitt- und Schürfwunden, drei bekamen einen Schock.

Anschließend verbarrikadierte sich der Abiturient auf der Toilette, wo er von Polizisten nach fünf Schüssen überwältigt wurde. In der Nacht verschlechterte sich sein Zustand etwas, er wurde ein weiteres Mal operiert. "Er wird heute keinesfalls vernehmungsfähig sein", betonte Krach.

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte ein Amoklauf-Sicherheitstraining an Schulen nach dem Vorbild der Feueralarm-Übungen. Wie in den Vereinigten Staaten sollte es auch an deutschen Schulen regelmäßige Sicherheitsübungen in Zusammenarbeit mit Polizeidienststellen geben, um das Verhalten und die Reaktionsmöglichkeiten im Falle von Amokläufen zu trainieren.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte anlässlich der Tat große Versäumnisse bei der Schulsicherheit. "Die schreckliche Tat von Ansbach belegt leider einmal mehr, dass Deutschlands Schulen keine sicheren Orte sind", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir brauchen endlich ein flächendeckendes Frühwarnsystem für Schulen." Trotz aller politischen Versprechen nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden fehlten aber nach wie vor Schulpsychologen und Sozialarbeitern, die Probleme frühzeitig erkennen könnten.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sprach sich für "flächendeckende Schulungen von Klassensprechern aus, um sie für mögliche Probleme und Außenseiter in ihren Klassen zu sensibilisieren". In den Schulen müsse man "eine Kultur des Hinsehens etablieren". Außerdem müsse die Zahl der Schulpsychologen in einem ersten Schritt verdoppelt werden. Derzeit müsse ein Psychologe im Schnitt 10.000 Schüler betreuen. "Das kann nicht funktionieren." Trotz gegenteiliger Ankündigungen aus der Politik habe sich die Versorgungsquote in den vergangenen Jahren kaum verbessert, kritisierte Kraus. Mittelfristig müsse zudem jede der 42.000 deutschen Schulen auf einen Schulsozialarbeiter zurückgreifen können.

Die Länder sind in der Pflicht - das sagt auch Polizeigewerkschafts-Chef Rainer Wendt: "In jede Schule in Deutschland gehören mindestens ein Sozialarbeiter und ein Psychologe", forderte Wendt. "Die Landesregierungen müssen endlich ihre Hausaufgaben machen und massiv in die Schul-Sicherheit investieren, statt nach jedem Amoklauf mit Rufen nach schärferen Gesetzen von ihren großen Versäumnissen in der Schulpolitik abzulenken."

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