Nach Bombenabwurf in Afghanistan: Die Schuld der Soldaten

Nach dem deutschen Bombenabwurf auf Tanklaster stellt sich die Frage, wann Soldaten töten dürfen. Verurteilt werden sie dafür nur, wenn sie den Tod von Zivilisten "sicher" erwarten.

Diese Zivilisten wurden bei dem Angriff auf die Tanklaster verletzt. Bild: dpa

FREIBURG taz | Seit mehr als sieben Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan aktiv. Anfangs half sie beim Bau von Brunnen und Schulen oder stabilisierte durch ihre bloße Anwesenheit die Lage im Norden Afghanistans.

Doch seit einigen Monaten ist die Sicherheitslage rund um das deutsche Camp in Kundus mehr als angespannt. Der Tod hat in den Alltag Einzug gehalten. Einerseits werden deutsche Soldaten Opfer von Anschlägen und Kampfhandlungen, andererseits töten sie auch selbst.

Wann dürfen deutsche Soldaten tödliche Gewalt ausüben, und wann machen sie sich dabei strafbar? Zu unterscheiden sind drei Konstellationen: die Selbstverteidigung, der Angriff auf Taliban und sogenannte Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung.

Wenn die Bundeswehr angegriffen wird, darf sie sich wehren. Die Soldaten haben das Recht auf Notwehr und Nothilfe wie jede Privatperson auch. Voraussetzung ist ein gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender Angriff auf sich oder andere.

Auch wenn die Soldaten irrtümlich von einem Angriff ausgehen, können tödliche Schüsse straffrei bleiben – wenn der Irrtum unvermeidbar war. So haben Bundeswehrangehörige schon mehrfach an Kontrollpunkten auf Autos gefeuert, die trotz Aufforderung nicht anhielten. Dabei starben bereits mehrere Zivilisten. Die Staatsanwaltschaft prüfte die Fälle, erhob bisher aber nie Anklage.

Keine Selbstverteidigung liegt jedoch vor, wenn Taliban im Vorfeld von Anschlägen und Gefechten angegriffen werden. Auch dies hält die Bundeswehr für zulässig, wie sich aus einem Merkblatt für die Soldaten ergibt, das Ende Juli neu formuliert wurde. Den Soldaten sollte dabei deutlich gemacht werden, dass sie nicht erst dann schießen dürfen, wenn sie angegriffen werden.

Rechtlich stützt sich diese Befugnis auf das UN-Mandat der internationalen Schutztruppe Isaf sowie das jährlich erneuerte Mandat des Bundestags. Dort ist der Isaf-Auftrag etwas schwammig beschrieben mit "Unterstützung der Regierung von Afghanistan bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit". Dazu dürfe die Bundeswehr "alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt" ergreifen.

Wenn also zum Beispiel aufständische Kämpfer getötet werden, die um einen entführten Tanklaster herumstehen, wie jüngst bei Kundus, handeln die Soldaten rechtmäßig.

Doch was ist, wenn bei einem Militärschlag auch Zivilpersonen zu Schaden kommen? Direkte Angriffe auf Zivilisten sind natürlich verboten, so etwas ist ein Kriegsverbrechen.

Oft aber werden bei Angriffen auf militärische Ziele auch umstehende Zivilisten getroffen. Solche "Kollateral-" oder "Begleitschäden" sind nur strafbar, wenn der Schaden "außer Verhältnis zum insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht". So ist es im deutschen Völkerstrafgesetzbuch geregelt.

Diese für Soldaten günstige Regel kann aber nur angewandt werden, wenn ein "bewaffneter Konflikt" besteht. Davon kann inzwischen ausgegangen werden, denn die Taliban agieren längst nicht mehr nur mit vereinzelten Selbstmordanschlägen, sondern verwickeln die Isaf-Truppe immer öfter auch in stundenlange Feuergefechte. Ob die Bundesregierung das nun "Krieg" nennt oder "Stabilisierungseinsatz", ist für die rechtliche Wirkung völlig unerheblich.

Es ist allerdings sehr schwer, zu bestimmen, ob ein ziviler Begleitschaden im Einzelfall unverhältnismäßig war. Dabei gilt die Formel: Je größer der militärische Nutzen, desto mehr zivile Todesopfer können in Kauf genommen werden.

Für Oberst Klein, der den Bombenabwurf auf die entführten Tanklaster bei Kundus befohlen hat, sieht es nach Abwägung nicht gut aus. Der militärische Nutzen war gering, weil die Laster ohnehin im Fluss feststeckten, während wohl mehrere bis einige Dutzend Zivilisten starben.

Als Zivilisten gelten durchaus auch Dorfbewohner, die mit den Taliban sympathisieren, auf die Gesinnung kommt es nicht an. "Im Zweifel ist jemand Zivilist", erklärt Kai Ambos, einer der führenden Experten für Völkerstrafrecht in einem Gesetzeskommentar.

Oberst Klein könnte wegen Tötung von Zivilisten deshalb eine Freiheitsstrafe "nicht unter fünf Jahren" drohen. Allerdings setzt das Völkerstrafgesetzbuch auch voraus, dass Klein die unverhältnismäßigen Folgen des Bombenabwurfs "sicher" erwartete. Diesen Vorsatz wird man ihm wohl nicht unterstellen, sodass mit einer Gefängnisstrafe am Ende doch eher nicht zu rechnen ist.

Derzeit liegt der Fall bei der Leipziger Staatsanwaltschaft. Sie prüft noch, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Leipzig ist der Heimatstandort von Oberst Klein.

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