TV-Themenwochen zum 2. Weltkrieg: Zuhören nach 70 Jahren

3sat und RBB widmen dem Beginn des 2. Weltkriegs Themenwochen. "Der Tag an dem ich erschossen wurde" (Montag, 22.05 Uhr, RBB) lässt die Opfer zu Wort kommen - und geht nah.

Ireneusz Cuglewski überlebte vor 70 Jahren die Vergeltung der Soldaten in seinem Ort. Bild: rbb

"Erst jetzt, nach 70 Jahren", keucht Edward Majchraz, "interessiert sich einer von euch!" Doch statt Hass liegt ein Lächeln auf seinem Gesicht, und er bietet dem deutsch-polnischen TV-Team Kaffee, Kuchen und Wodka an.

Majchraz wohnt in einem der vielen kleinen polnischen Dörfer, die Wioletta Weiß und Antonia Schmidt für ihre Dokumentation "Der Tag, als ich erschossen wurde" besuchten. Der Film ist Auftakt des Themenschwerpunkts "70 Jahre Überfall auf Polen", der ab heute im rbb zu sehen und zu hören ist.

Viele kleine Orte, die einst die Grenze zwischen Polen und dem Deutschen Reich bildeten - viele schreckliche Verbrechen der Wehrmacht: Immer wieder kontrastiert der Film eine Kamerafahrt über die Hauptstraßen der Dörfer mit martialischer Musik und Briefen von der Front. Von "ausräuchern", "erschießen" ist da zu lesen oder davon, dass "der Pole in Freiheit hinterhältig und wild" und "in Gefangenschaft feige" sei. Auch ein Stauffenberg-Brief ist dabei.

Pate für den Titel ist Ireneusz Cuglewski, 84. Er erzählt immer wieder von dem Tag, an dem er erschossen wurde - bis heute. Er war der Einzige von acht Männern im Ort, wenn man einen 14-jährigen Jungen so bezeichnen kann, der die Vergeltungsmaßnahme für einen Verkehrsunfall zweier deutscher Soldaten überlebte. Filmautorin Weiß stammt aus demselben Ort und hat seine Geschichte, wie alle im Dorf, in der Schule gehört.

Die Orte entlang der ehemaligen Grenze wechseln, die Verbrechen waren immer dieselben. Dennoch werden die deutschen Filmemacherinnen mit offenen Armen empfangen. Die Bewohner sind froh, ihre Geschichte endlich auch mal Deutschen erzählen zu können - und dass die ihnen zuhören.

"Der Tag, als ich erschossen wurde" zeigt keine Schlagbaumöffnung und lässt keine Hitler-Reden vom Zurückschießen "seit 5.45 Uhr" ertönen. Er zeigt die Menschen heute, lässt sie zu Wort kommen - und geht deswegen so nah. Am Dienstag, dem Jahrestag des deutschen Überfalls, folgt der Film "Mein Polen" des früheren ARD-Korrespondenten in Warschau, Robin Lautenbach, (Montag, 20.15 Uhr rbb), mit anschließender Diskussion.

Auch 3sat wartet mit einer Themenwoche zum Kriegsbeginn vor 70 Jahren auf. Und auch hier macht Polen den Anfang mit "Für Danzig sterben?" (Di., 20.15 Uhr). Die Doku von Adrzej Klamt widmet sich der Stadt, in der 1939 mit dem Angriff auf den Militärstützpunkt Westerplatte der Zweite Weltkrieg begann und wo 1980 mit der Gründung von Lech Walesas Solidarnosc das Ende des des Ostblocks herbeiprotestiert wurde.

Ein großer Zeitsprung für eine Doku, den Klamt, der in Danzig den Brennpunkt des deutsch-polnischen Verhältnisses sieht, mithilfe historischer Bilder und deren Kommentierung durch Zeitzeugen zu meistern versucht.

Allen voran Günter Grass: Der berichtet nicht nur von seiner Danziger Zeit, sondern seine Werke dienen überdies als Untermalung der aktuellen Stadtaufnahmen. "Wie konnte es dazu kommen, dass ich mich so hab verführen lassen?", fragt Grass, nachdem ein Danzig voller Hakenkreuzbanner zu sehen war.

Die Frage bleibt ebenso unbeantwortet wie die, warum gerade das heutige Gdansk zum Ausgangspunkt zweier Ereignisse wurde, die derart das Europa des 20. Jahrhunderts umwälzten.

Auch wenn der Angriff auf Polen den Anlass für die 3sat-Themenwoche "Nie wieder Krieg?" bildet, so bleibt der Drei-Länder-Sender mit seinem Programm nicht dort stehen. Filme wie "Der Untergang" (über die letzten Tage des Dritten Reichs; Di., 20.15 Uhr), "The Coast Guard" (Korea-Krieg-Drama; 3. 9., 22.25 Uhr) oder "Wag the dog" (über die Inszenierbarkeit von Kriegen in den US-Medien; 4. 9., 22.25 Uhr) werden umrahmt von Dokumentationen und Reportagen zum Thema Krieg, Angreifer und Opfer aus dem Irak, Kongo, Afghanistan und Japan.

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