Kundenschutz bei Sozialen Netzwerken: "Eindeutig verbraucherfeindlich"

Der Verbraucherzentrale-Bundesverband hat ein Projekt gestartet, das helfen soll, Kundenrechte im Internet besser durchzusetzen. Verbraucherschützer Falk Lüke erklärt, worum es dabei geht.

Der Studivz-Datenschutz ist für Verbraucherschützer nur eine Selbstverständlichkeit. Bild: dpa

Herr Lüke, Sie arbeiten im Projekt "Verbraucherrechte in der digitalen Welt" beim Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv). Warum ist ein solches Vorhaben überhaupt notwendig? Gelten die regulären Kundenrechte nicht auch ganz normal im Internet?

Grundsätzlich gelten die Verbraucherrechte natürlich auch im Internet. Aber zum einen gibt es für manches durchaus abweichende Gesetzgebung wie zum Beispiel beim Datenschutz, zum anderen wird dort in vielen Bereichen einfach noch sehr geschludert. Was im stationären oder Versandhandel über Jahrzehnte eingespielt ist und weitgehend funktioniert, wird dort oft von Anbietern noch sehr frei gehandhabt.

Wir wollen klarstellen: Nutzer können auch im Internet auf die Verbraucherzentralen zählen. Zum anderen möchten wir sie auch für spezielle Probleme und Fallstricke sensibilisieren. Ein Beispiel: Wenn jemand ein MP3 im Internet bezahlt und herunterlädt, ist das nach derzeitiger Rechtsprechung etwas vollkommen anderes, als wenn er eine CD kaufen würde.

Was sind die Ziele Ihres Projekts?

Wir möchten zum einen den Anbietern klar machen, dass sie auch im Internet nicht beliebig mit den Verbrauchern umspringen können. Die Floskel vom "rechtsfreien Raum Internet" ist Humbug. Zumindest sind wir in einigen Bereichen vom Gesetzgeber in die Lage versetzt worden, das gegebenenfalls auch von Gerichten klarstellen zu lassen – leider nicht beim Datenschutz. Dort müssen wir uns auf die Datenschutzbestimmungen als Vertragsbestandteil beschränken und sind bei konkreten Problemen immer auf die Zusammenarbeit mit den Datenschutzbeauftragten angewiesen.

Zudem gibt es im schnelllebigen Internetumfeld auch einige Bereiche, die noch keiner Bewertung aus Verbrauchersicht unterzogen wurden. Hier weiter voranzukommen, ist eines unserer Ziele.

Der vzbv kam kürzlich in die Schlagzeilen, weil Sie eine ganze Reihe bekannter sozialer Netzwerke abgemahnt haben, deren Nutzungsbedingungen Sie für wenig kundenfreundlich und rechtlich problematisch hielten. Können Sie die Hauptprobleme erläutern?

Wir haben die Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen der in Deutschland populärsten sozialen Netzwerke geprüft. Dabei haben wir uns wirklich geärgert, was dort bei manchen Anbietern so versteckt ist. Ein Ärgernis ist zum Beispiel, dass Anbieter sich die Rechte an Inhalten ihrer Nutzer überschreiben lassen wollen. Als Nutzer rechne ich doch nicht damit, dass das Bild, dass ich heute hochlade, morgen irgendwo anders auftauchen kann und ich keine rechtliche Handhabe dagegen habe. Vor dem Hintergrund, dass viele der sozialen Netzwerke zu Medienkonzernen gehören, ist das mehr als pikant.

Für Erstaunen haben bei uns auch die Änderungsklauseln gesorgt: die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sind sozusagen der Vertrag zwischen Nutzer und Anbieter. Wenn dort drinsteht, dass der Betreiber diese jeden Tag ändern kann und der Nutzer das akzeptiert, sobald er sich einloggt, dann heißt das, dass ich mir die oft für Laien unverständlich formulierten AGB jedes Mal vor dem Einloggen durchlesen müsste. Das kann und darf nach deutschem Recht nicht sein, dann würde ich den halben Tag mit AGB-Lesen verbringen. Verbraucher zu sein, das soll, kann und darf einfach kein Vollzeitjob werden.

Wie haben die Firmen reagiert?

Sehr unterschiedlich. Während Xing sehr schnell reagierte und die beanstandeten Klauseln umgehend änderte, sind andere noch zurückhaltender oder gar ablehnend. Wir sind bereit, vor Gericht zu ziehen, wenn die Anbieter sich nicht unseren Forderungen unterwerfen – was wir beanstandet haben, ist aus unserer Sicht eindeutig verbraucherfeindlich.

Unter den Abgemahnten sind auch US-Anbieter. Haben Sie als deutscher Verband gegen solche Firmen überhaupt eine Handhabe?

Das ist natürlich nicht ganz einfach, aber da die Firmen sich speziell an deutsches Publikum wenden und darüber hinaus tatsächlich auch in Deutschland aktiv sind, um Werbekunden zu finden, sehen wir da juristisch keine Probleme. Wer sich an ein deutsches Publikum wendet, um mit ihm Geld zu verdienen, kann sich nicht darauf berufen, sich nicht an deutsche und europäische Rechtsstandards halten zu müssen. Man würde die sicherlich auch selbst einfordern, wenn es um Geschäftsabschlüsse zum Beispiel für Werbung geht.

Beim deutschen Marktführer StudiVZ hat man vor kurzem ein Datenschutz-Manifest vorgelegt, in dem unter anderem steht, dass man die gewonnenen Daten nicht weitergeben und beispielsweise vor Suchmaschinen schützen will. Geht das weit genug?

StudiVZ hat in erster Linie klargestellt, dass sie sich an deutsches Recht halten wollen. Da werden wir sehen, wie weit das trägt, aber eigentlich ist das aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit. Dass sie tatsächlich mehr für die Verbraucher tun wollen, als gesetzlich vorgeschrieben, muss sich erst noch zeigen. Warum zum Beispiel sind die Voreinstellungen nur bei SchülerVZ nach der Anmeldung die restriktivsten - bei StudiVZ aber viel offener?

Gerade Neunutzer wissen doch gar nicht, was das heißt. "Wir stellen uns unserer Verantwortung" schreibt StudiVZ, und wir würden uns freuen, wenn das so wäre. Denn momentan müssen wir sie immer wieder ihrer Verantwortung stellen.

Ist es überhaupt möglich, soziale Netzwerke zu nutzen, ohne dass man einen Teil seiner Privatsphäre abgibt?

Nein, aber das ist ja auch kein Selbstzweck. Wir geben jeden Tag einen Teil unserer Privatsphäre auf, wenn wir im Bus telefonieren zum Beispiel. Aber jeder sollte selbst entscheiden können, wann er oder sie wem welche Informationen zur Verfügung stellen will.

Viele Betreiber sozialer Netzwerke betonen, dass es die Funktionalität ihrer Plattform schmälern würde, wenn sie dem Nutzer die Entscheidung überlassen und man sich aktiv für Freigaben entscheiden muss. Das halten wir für falsch. Da die meisten Netzwerke werbefinanziert sind, ist die intrinsische Motivation der Betreiber klar – je mehr Daten vorliegen, umso besser lässt sich darauf Werbung schalten.

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