unverbremt: Motsch sells

Normalerweise würde niemand ausgerechnet am 11. September eine in die Jahre gekommene Talkshow im Dritten einschalten. Aber mit einer ausgebufften Werbestrategie kurbelt Elisabeth Motschmann die drei nach neun-Quote an

Punk ist eine Lebenseinstellung: Elisabeth Motschmann Bild: BES

Ausgerechnet am 11. September kommt die nächste Ausgabe von Radio Bremens TV-Flaggschiff "drei nach neun". Das wäre nun wirklich nicht der Tag gewesen, an dem man sich eine in die Jahre gekommene Talkshow im Dritten antut.

Das ist jetzt anders geworden. Und dafür sorgt eine einzige Frau: Mit einer ausgebufften Werbestrategie kurbelt Elisabeth Charlotte Motschmann die Quote an. Denn seit der Sender bekannt gegeben hat, dass ab September Grimme-Preisträgerin Charlotte Roche anstelle von Amélie Fried moderiert, entfaltet die ehemalige Kulturstaatsrätin ungewohnten publizistischen Eifer. Gerade sind wieder fünf Seiten zu dem Vorgang ihrer Tastatur entflossen - und direkt in die Bild-Redaktion geströmt.

Deren Gegenstand ist vor allem der gepriesene Roman "Feuchtgebiete", der die ungestillte Sehnsucht nach einer intakten Familie schließlich durch eine - strikt heterosexuelle - neue Paarbeziehung kompensiert. Das ist die Lesart, die sich mindestens für Kenner von Julia Kristevas "Pouvoirs de l'horreur" (1980) aufdrängt. Ein Werk, das jede gute Romanistin schätzt - Motschmann natürlich auch.

Ein derart wertekonservatives Buch spricht der CDU-Politikerin aus dem Herzen. Bloß: Wen hätte eine warme Empfehlung einer gewesenen Kulturstaatsrätin gekümmert? Und wer, außer Motschmann, kennt schon Kristeva? Also verpackt sie die Huldigungen geschickt in Pamphlet-Rhetorik: Bildungsfernes Publikum lockt sie zur Plausch-Sendung mit Reizworten wie "obszön" oder "Porno", und Roche selbst attestiert sie, dass diese "überhaupt keine Tabus" kenne - ein tolleres Lob lässt sich einer Interviewerin kaum aussprechen. Jede Wette: Diese Kampagne wirkt. Und zum Dank? - kommt natürlich Motschmann auf die Gästeliste.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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