Kolumne Männer: Stolz und Vorurteil

Männer sind komisch, wer könnte darüber besser schreiben als ein zurückhaltender, kluger Herr wie ich?

Ich habe einen guten Freund. Er behauptet seit Langem, er habe etwas Tolles erfunden. Dieser Freund glaubt ernsthaft, er sei der erste Mensch gewesen, der zu einem Sakko einen Kapuzenpulli getragen habe. Ansonsten sagt er oft kluge Dinge. Daher treffe ich ihn auch gern zum Biertrinken. Diesmal war es sehr wichtig. Ich brauchte Hilfe.

"Ich will Kolumnen über Männer schreiben", sagte ich ihm. "Darüber, wie es ist, heute ein Mann zu sein." Die Sonne ging hinter den Häusern unter, wir tranken unser erstes Feierabendbier. Mein guter Freund schwieg. Das musste noch nichts Schlechtes bedeuten. Dieser Herr hat die merkwürdige Angewohnheit nachzudenken, bevor er redet. Dann sagte er in einem Tonfall, bei dem ich nie weiß, ob er es ironisch meint oder nicht: "Ich hatte mehr von dir erwartet."

"Nein, nein", wehrte ich ab. "Die Texte sollen natürlich nicht so klamaukhaft daherkommen. Nicht nach diesem dämlichen Muster ,Warum Frauen keine Witze erzählen können und Männer 30 Wörter fürs Betrunkensein haben'. Eher subtil. Selbstironisch, ohne weinerlich zu sein. Uns fällt da bestimmt was ein. Lass mal überlegen." Wir schwiegen lange. Dann beugte sich mein guter Freund zu mir und sagte: "Ich hol noch mal zwei Bier."

Zurück von der Theke, sprach er als Erster: "Neulich war ich auf einem Geschäftsessen. Begleitung war willkommen. Ein Kollege von mir, ein netter, langweiliger Kerl, hatte seine Frau dabei. Am Restauranttisch fängt die Frau plötzlich an zu schreien: ,Mir geht dieser ganze Scheiß auf die Nerven!' Und stürmt aus dem Lokal. Der perplexe Gatte rennt ihr folgsam hinterher. Wir dachten: Das muss ein Scherz sein. Das war so über den Punkt …" - "Was willst du mir damit sagen?", fragte ich. Mein guter Freund hob den Zeigefinger und tat, als würde er diktieren: "Ich kenne keinen einzigen Mann, der sich so aufführen würde. Das machen nur Frauen." - "Das ist doch ein Klischee", sagte ich. "Ich sag ja nicht, dass alle Frauen so sind", sagte mein guter Freund. "Aber diese Taktik ist bei Frauen sehr beliebt." - "Welche Taktik?" - Mein neunmalkluger Freund rollte mit den Augen. "Na, wer zeigt, dass er notfalls bis zum Äußersten geht, gewinnt. Genau derselbe Mechanismus wie bei Kneipenschlägereien." - "Oder wie bei Mao", antwortete ich. "Der hat zweimal die USA beinahe zu Atombombenangriffen gereizt, nur damit ihm die Sowjets endlich Atomraketen überlassen." - "Äh, ja, das passt bestimmt auch irgendwie."

Mich verließ alle Zuversicht: "Frauen, die sich wie totalitäre Herrscher aufführen", murmelte ich. "Klingt ja alles plausibel", sagte ich. "Aber ich will irgendwas Lustiges schreiben über das Dilemma heutiger Männer: Sie wollen und müssen cool sein, aber liebevoll. Gut aussehen ist Pflicht, aber ihre Eitelkeit darf man ihnen um Himmels willen nicht ansehen! Sie müssen witzig sein, aber die Ruhe selbst. Und zweifeln am eigenen Selbstverständnis dürfen sie natürlich auch nicht, das wirkt nämlich total unsexy. Eingebildet dürfen sie bei alledem auch nicht sein. Wer schafft das schon - außer uns beiden?"

Die Sonne war längst untergegangen, da hatte ich eine Idee. Meine letzte Hoffnung. "Wenn mir nichts einfällt, dann schreibe ich einfach dieses Gespräch auf!" - Mein guter Freund lächelte gütig: "Dir fällt doch bestimmt noch was Besseres ein."

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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