Das bisschen Systemverdrossenheit

Freizeitheim Friesenstraße, Naturfreundehaus Buchtstraße und Sielwallhaus: Drei Modelle alternativer Jugendarbeit konsolidieren sich. Für die meisten anderen Freizeitheime herrscht dagegen noch Unklarheit, wie es künftig weitergehen soll

Bremen taz ■ Veronika schnitzelt Tomaten und Basilikum, neben ihr brodelt Teewasser. Halblaute Hardcoremusik und Menschen, die sich Leckereien auf Teller laden. Dazwischen ein zauseliger Hund. Mittagszeit, Frühstückszeit. Fast jeden Sonntag zaubert eine andere Gruppe im Sielwallhaus (SWH) ein reichhaltiges veganes Büffet für die “Volxküchen“-Fans Bremens.

Zwei Straßen weiter wird im Freizeitzentrum Friese der Boden gefeudelt: Am Abend zuvor haben zwei Punkbands gespielt. Man ist froh, dass es weiter gehen kann mit Konzerten, Jugendarbeit, Freizeitangeboten. Noch im Frühjahr war die Lage düster: Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) will bis 2008 die Mittel für die Jugendförderung auf etwa 680.000 Euro halbieren.

So wurden auch die Mittel für das seit 25 Jahren bestehende Freizi Friese drastisch gekürzt. Bald stellten die Mitarbeiter einen E.V. auf die Beine, der die Arbeit als privater Träger fortführt. Die besteht vor allem darin, den Jugendlichen des Viertels „etwas zu bieten und elementare Bedürfnisse zu erfüllen“, sagt Friese-Pädagoge Holger Lauster. Computerplätze werden eingerichtet und ein Café gebaut. Hier gibt es Raum für die 20 Bands, die in der Friese proben, für Filmprojekte oder Workshops zu politischen Themen, die in der Schule nicht vorkommen.

Auf diesem Gebiet hat sich auch das Naturfreundehaus Buchtstraße (kurz Buchte) hervor getan. Einer von zwei hauptamtlich Beschäftigten ist Geschäftsführer Jens Singer. Er stimmt Kollege Lauster von der Friese zu: Die Jugendarbeit werde immer schwieriger und verlange mehr Idealismus, also unbezahlte Arbeit. Die Jugendlichen seien nicht politikverdrossen, sondern „sehr engagiert, höchstens ein bisschen system- und parteienverdrossen“.

Wer die Räume nutzt, wird an Entscheidungen beteiligt oder in Aufsichtsgremien gewählt. Im SWH haben alle von ihnen Schlüssel fürs Haus. Dass das vor allem alkoholisierte Punks seien, sei eine Legende, sagt Hausratsmitglied Rolf Hundack. Die Realität sieht anders aus: Im SWH werden Siebdruckwerkstätten und Fotolabore betrieben, in Workshops Themen wie Gender- oder Flüchtlingspolitik diskutiert. Niemand wird bezahlt, die jährlich knapp 11.000 Euro vom Amt für Soziale Dienste gehen für Miete und Stadtwerke drauf. Floss das Geld bis jetzt regelmäßig, wird es ab 2006 Jahr für Jahr neu bewilligt werden müssen. Weitere Steine rollt die CDU durch Anfragen in der Bürgerschaft in den Weg. Das Haus könne verkauft werden. Finanzamt und Gewerbeaufsichtsrat wollen dem SWH gaststättenähnlichen Betrieb nachweisen. Da sei nichts dran, so Hundack: „Das läuft alles selbstorganisiert und auf Spendenbasis.“ Bis April 2006 sollen die Übernahmeverhandlungen für alle Freizis abgeschlossen sein.

Unter Dach und Fach des Deutschen Roten Kreuzes sind bereits die Einrichtungen in Buntentor und Neustadt, die ohnedies seit Jahren von ihm unterstützt werden. Daher gibt es, sagt ein Sprecher des Freizi Neustadt, „auch keine Angst um die Weiterführung der bisherigen Jugendarbeit.“ Anders sei es in den Freizis, die von einer Übernahme durch Caritas oder das Sozialwerk der Freien Christengemeinde konfessionelle Einflüsse fürchten. Die Verhandlungen laufen hinter den Kulissen, viele Freizi-Beschäftigten tragen nach eigenem Bekunden “Maulkörbe“. Ganz unbekannt scheint nur einer der 39 an den Freizis interessierten Träger zu sein: der Outlaw E.V., der das Freizi Huchting outlawen wird. Robert Best