Steuern und die Umwelt: Die Wahlkämpfer meiden Ökosteuern

In der Politik ist Umwelt Chefsache. Gleichzeitig sind die Einnahmen durch ökologische Steuern wieder aufs Niveau von 1998 gesunken. Vor der Wahl will niemand eine Steuerdebatte lostreten.

Die Ökosteuer wurde 1999 als Beginn eines umweltfreundlichen Steuersystems gefeiert – und gehasst. Heute wissen wir: Alles halb so schlimm. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Antritt der rot-grünen Bundesregierung im Herbst 1998 machte den Weg für eine ökologisch ausgerichtete Finanzpolitik frei. "Rot-Grün steht für ein neues ökologisches Steuersystem", jubelte der damalige Umweltminister Jürgen Trittin. Insbesondere mit der Ökosteuer leiste man "einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz".

Elf Jahre später ist die rot-grüne Ökosteuer in den Gesamteinnahmen des Staates nicht mehr erkennbar. 9,7 Prozent beträgt der Anteil der Energie, Strom- und Kraftfahrzeugsteuern am Steueraufkommen – selbst unter Bundeskanzler Helmut Kohl hat der Staat mehr durch Umweltsteuern eingenommen.

"Seit der ersten Ökosteuer gab es keinerlei Weiterentwicklung", klagt der SPD-Politiker Hermann Scheer. Es hätte danach "immer wieder Vorschläge gegeben", in der großen Koalition sei aber vieles unmöglich gewesen.

Auch für Josef Göppel von der CSU geht die Entwicklung in die falsche Richtung. Man hänge "in der Steuerpolitik um Jahrzehnte hinterher". Die Kanzlerin habe "zwar ihren Teil gemacht", aber die Anpassung der Steuern bleibe eine noch zu lösende Aufgabe: "Wir müssen insgesamt Rohstoffe und Energie stärker besteuern."

Lutz Heilmann von der Linkspartei beklagt, die Regierung habe insgesamt "einiges verschlampt" und die Idee zur Besteuerung von Dienstwagen sei "irgendwann verschwunden, obwohl sie der Minister sich auf die Fahne geschrieben hatte".

Während die Parteien in ihren Programmen die Umweltpolitik jüngst zur Chefsache gemacht haben, hinkt die finanzpolitische Realität weit hinterher. Jürgen Trittin, der Spitzenkandidat der Grünen, fordert nun eine neue Initiative: "Wir müssen dem Vorschlag Schwedens folgen, und eine europaweite CO2-Besteuerung durchsetzen."

Zudem müsse "endlich Schluss sein mit dem europäischen Subventionswettlauf". Für Deutschland bedeute dies, Ausnahmeregelungen zu beenden", denn diese "Unlogiken" seien "nicht richtig". Im Klartext: Trittin will nicht nur eine Besteuerung von Kerosin vorantreiben, auch der verbilligte Satz beim Diesel soll aufgehoben werden.

Für Scheer ist der wichtigste Ansatzpunkt ein anderer: die Kernenergie. "Es müssen endlich Atombrennstoffe besteuert werden", fordert er. Die rot-grüne Regierung habe zwar beim Atomausstieg der Industrie das Zugeständnis, diese nicht zu besteuern; dies sei jetzt aber hinfällig, weil auch die Atomindustrie sich nicht mehr an den Ausstieg gebunden fühle und Laufzeitverlängerungen verlange: "Hier wurden die Vorteile kalt eingesteckt", sagt Scheer, "es ist jetzt Zeit für ein Gegenkonzept."

Dass dies nicht schon im gerade verabschiedeten Parteiprogramm steht, ärgert Scheer. Zunächst war dies noch der Fall - später wurde die Passage gestrichen. Für Scheer besteht dennoch kein Zweifel: "Das muss jetzt auf die politische Tagesordnung."

Trotz der Erkenntnis sind die Umweltpolitiker aus allen Fraktionen vorsichtig mit weitergehenden Forderungen nach einer ökologischen Steuerreform. Zu groß ist die Angst, wenige Wochen vor der Bundestagswahl am Ende eine Debatte über Steuererhöhungen losgetreten zu haben.

Besonders in der Union ist man empfindlich geworden. So legt Göppel Wert darauf, dass seine Idee nur gleichzeitig mit einer Entlastung der Arbeitnehmer verwirklicht werden soll: "Es soll keine Mehrbelastung dabei herauskommen."

Göppel glaubt auch nicht, dass diese Ideen nicht durchsetzbar sind. Der Klimaschutz sei ja schließlich "die Politik von Frau Merkel". Am liebsten würde Göppel dies mit den Grünen machen, "mit vielen könnte man diese Konzepte durchsetzen".

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