Kompetenz-Gerangel im DFB: Exerzierfeld der Einflussreichen

Abseits der U21-EM rangeln Sportdirektor Matthias Sammer, Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff um Kompetenzen.

Wer darf was? Der Olli und der Jogi zanken sich mit dem Matthias um Kompetenzen. Bild: reuters

HALMSTAD taz | Wenn es um ihr Schwedenbild geht, pendeln die Deutschen gern zwischen zwei Extremen. Da ist zum einen die heile Holzhauswelt der Astrid Lindgren, hinter der andererseits überall das nackte Grauen eines Henning-Mankell-Romans steckt. Wer in diesen Tagen auf das Quartier der deutschen U21-Mannschaft vor den Toren Göteborgs zugeht, denkt allerdings nur an Bullerbü und nicht an Wallander. Vor der Kulisse eines glitzernden, von Bäumen und Bootsstegen umrandeten Sees sitzen der Olli und der Jogi gemütlich in der Sonne, lehnen sich an die Hauswand des zum Hotel umgebauten alten Fabrikgebäudes und trinken Kaffee.

Ums Eck ist es mit der Gemütlichkeit vorbei. Dort wird kräftig angepackt, der Bus für die Fahrt zum nächsten Spiel beladen, überwacht von Sportdirektor Matthias Sammer im Trainingsanzug. Eine klare Rollenverteilung, könnte man meinen. Hier die entspannten Spielbeobachter Löw und Bierhoff, dort der Macher und Vordenker Sammer - so würde es der Sportdirektor selbst gern sehen. Sammer ist ja auch Supervisor für die anderen Juniorenteams, und die U17 und U19 sind amtierende Europameister. Aber bei der U21 spricht neben Sammer auch noch die Führung des A-Nationalmannschaft ein gehöriges Wörtchen mit.

Das passt dem gebürtigen Dresdener nicht so recht, wie er neulich in der FAZ mitteilte: "Ich bin es gewohnt, Verantwortung zu tragen und Verantwortlichkeiten zu schaffen", machte er seinen Führungsanspruch deutlich. "Dass es gefährlich sein kann, die Verantwortung auf vielen Schultern zu verteilen, das erkenne ich bei jungen Spielern und bei den Klubs."

Bereits bei der Benennung des Nachfolgers von Interimstrainers Horst Hrubesch zog Sammer den Kürzeren. Statt seines Favoriten Heiko Herrlich wurde der Löw-Spezi Rainer Adrion ausgewählt. Am Donnerstag, unmittelbar vorm Spiel gegen Finnland, wies dann auch noch DFB-Chef Theo Zwanziger Sammer in die Schranken. "Es gibt Wichtigeres, als Kompetenzfragen in den Raum zu stellen", sagte Zwanziger. "Das war absolut unnötig. Da werden öffentlich nicht mehr Erfolge und inhaltliche Fragen diskutiert. Es wird dann nur gefragt: Vertragen die sich noch?"

Alle wollen die Verantwortung für das Team - auf dem Platz wollte diese im Spiel gegen Finnland lange Zeit niemand übernehmen. Plan- und lustlos schoben sich die nach dem Spiel gegen Spanien noch hoch gelobten Kicker den Ball zu. Erlösung brachte schließlich eine Freistoßvariante, die Mesut Özil und Benedikt Höwedes schon in der Schalker A-Jugend-Meistermannschaft des Jahres 2006 einstudiert hatten und die der Innenverteidiger mit einem wuchtigen Kopfball abschloss.

Diese glückliche Wende zum Guten konnte Sammer, der drei Reihen hinter Löw und Bierhoff auf der Tribüne saß, nicht versöhnen. Denn die von ihm propagierte komplexe Trainings- und Teambildungsmethodik trug wenig Früchte. "Ich habe sehr genau hingeschaut, werde aber öffentlich noch ein bisschen vorsichtig sein", sagte er mit einem drohenden Unterton. "Aber diese Leistung wird nicht ausreichend sein, das große Ziel zu erreichen." Sammer verwies dann zwar pflichtgemäß darauf, dass die letzte Bewertung Sache des Trainers sei. Zwischen vielen seiner Schachtelsätze schimmert die Überzeugung durch, selbst der bessere Trainer zu sein. Und nicht nur besser als Hrubesch, sondern auch besser als Löw. Franz Beckenbauer äußerte bereits den Wunsch, Sammer "in einer ganz hohen Position" zu sehen. Der Geadelte dementierte Ansprüche auf den Bundestrainerposten bislang nicht. Auch wenn heute zum Mittsommerfest wieder der Burgfrieden in "Nääs Fabriker" einzieht: Die U21 ist längst zum Exerzierfeld für den Machtkampf um die Führung in der A-Nationalmannschaft geworden.

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