MARTIN REEH ZUR ROT-GRÜNEN GORLEBENPOLITIK
: Die Nimby-Koalition

Grüne und SPD dürften Angela Merkel dieser Tage heimlich dafür danken, dass sie den endgültigen Atomausstieg auf 2022 verlegt hat – und nicht schon auf, sagen wir, 2016. Denn sonst müssten sie, einen Sieg bei der Wahl im September vorausgesetzt, ein Thema angehen, das die meisten ihrer Landesfürsten vor sich herschieben: die Endlagerung von Atommüll. Ganz nach dem Prinzip: Not in my backyard (Nimby).

Dazu gehört auch die jetzige Einigung von SPD und Grünen in Niedersachsen, Gorleben als Endlagerstandort auszuschließen. Wo soll der Atommüll stattdessen hin? Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich zuletzt ausdrücklich dafür eingesetzt, Gorleben in die Endlagersuche einzubeziehen – ebenso wie sein eigenes Bundesland. Noch 2011 hielt sein Landesamt für Geologie die möglichen Lagerstätten in Baden-Württemberg aber für ungeeignet.

Am Ende wird das Endlager irgendwo stehen müssen: an einem Standort, der niemals optimal sein wird, weil es keinen optimalen Standort gibt. Zu Recht geht Kretschmann zwar davon aus, dass die Endlagerdiskussion nicht sachlich geführt werden kann, solange die AKWs in Deutschland nicht Geschichte sind. Aber auch dann ist fraglich, ob sich eine Gegend findet, wo die Bevölkerung ohne Protest die Restrisiken auf sich nimmt.

Verantwortliche Politik müsste für ein Verfahren kämpfen, das den vergleichsweise sichersten Standort ermittelt und das Endlager anschließend auch gegen lokale Widerstände durchsetzt. Auch wenn es gute Gründe gibt, das Endlager nicht in Gorleben zu bauen, setzt Rot-Grün in Hannover ein falsches Signal. Das Risiko, dass das Endlager eines Tages nicht am sichersten Standort errichtet werden wird, sondern dort, wo der geringste Widerstand zu erwarten ist, wächst.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 6